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2. Leo X. nähert sich Frankreich und bemüht sich zugleich um eine Liga wider dasselbe. Tod Ludwigs XII. 1. Januar 1515. Franz I. König von Frankreich. Julian Medici vermählt sich mit Filiberta von Savoyen. Beitritt Leos zur Liga Spaniens und des Kaisers 17. Juli 1515. Kriegszug Franz' I. nach Italien. Er erobert Mailand. Sein Sieg bei Marignano 14. September 1515. Bestürzung des Papsts. Reise Leos zu Franz I. Zusammenkunft in Bologna Dezember 1515. Dortige Beschlüsse. Tod Julian Medicis März 1516.
Die politische Welt war unterdes ein unentwirrbares Gewebe von Plänen, Verträgen, Familienverbindungen unter den Mächten. Es war ein neues Wesen, die moderne Kabinetts-Politik entstand. Ludwig XII. hatte seine vierjährige Tochter Renata dem jungen Erzherzog Karl, dem künftigen Erben Spaniens, verloben wollen, was der Papst nicht billigte. Sein Bestreben mußte sein, Frankreich und Spanien zu trennen, welche Mächte schon am 1. Dezember 1513 zu Blois Waffenstillstand gemacht hatten. Die Verlobung Renatas unterblieb; vielmehr vermählte sich der verwitwete Ludwig mit Maria, der jungen Schwester Heinrichs VIII., nachdem beide Könige am 2. August 1514 den Frieden zu London geschlossen hatten. Der geistvolle Lodovico Canossa, Bischof von Tricarico und Nuntius des Papsts, hatte sich dafür bemüht, und Thomas Wolsey war die Seele dieser Unterhandlungen, wodurch Frankreich, England und der Papst in eine Liga traten, die den Kaiser und Spanien empfindlich bedrohen mußte.
Wider seine innerste Neigung sah sich Leo X. von einer Verbindung mit Frankreich umstrickt. Ludwig XII. lockte ihn mit glänzenden Versprechungen für seine Nepoten, denn für Julian sagte er die Hand Filibertas zu, einer Tochter Philipps von Savoyen und naher Verwandten des französischen Königshauses. Der Papst schien ihm sogar in bezug auf die Wiedereroberung Mailands Gehör zu geben. Beständig hielt er die Waage in der Hand, das Gewicht Frankreichs und Spaniens abzuwägen. In derselben Zeit, wo er Ludwig XII. Hoffnungen in Italien machte, vereinigte er insgeheim Spanien, den Kaiser, die Eidgenossen, Florenz und Mailand zu einem Bündnis, dessen Zweck der Schutz dieses Herzogtums sein sollte. Je nach dem Vorteil wollte er der einen oder der anderen Liga beitreten. Im Dezember 1514 schickte er Bembo nach Venedig, welches noch immer wegen Brescia und Verona mit Maximilian Krieg führte, um diese Republik zu bewegen, sich von Frankreich loszusagen. Die Venetianer lehnten es ab, sich mit dem Kaiser auszusöhnen, weil er auf dem Besitz Veronas bestand: sie stellten dem Papst vor, daß ihm eine Liga mit Frankreich vorteilhafter sein müsse als ein Bund mit Maximilian, die Krone Neapels könnte dann für seinen Bruder Julian gewinnbar sein.
Da starb der alte König Ludwig am 1. Januar 1515, ein mannhafter Fürst, doch unglücklich, für seine unersättliche Eroberungslust stets durch Niederlagen bestraft. Die Krone Frankreichs fiel an Franz I., den einundzwanzigjährigen Sohn Karls von Angoulème, den Gemahl Claudias, einer Tochter Ludwigs XII. Der ruhmsüchtige und glänzende Prinz, schön von Gestalt, bezaubernd durch Talente und Ritterlichkeit, bestieg den Thron mit dem glühenden Verlangen, die Macht Frankreichs wiederherzustellen; er nannte sich sofort Herzog von Mailand, und bald wurde die Welt durch den Ehrgeiz dieses jungen Königs in unabsehbare Kriege gestürzt. Ihr Gegenstand blieb die Hegemonie Europas auf dem Grunde des Besitzes von Italien. Es war eine große Zeit: aus jenen Verwicklungen, welche der Zug Karls VIII. in Bewegung gebracht hatte, entstand das ganze System der europäischen Mächteverhältnisse, wie es bis zu den Jahren 1866 und 1870 fortgedauert hat, bis zu der abschließenden Epoche nämlich, wo Italien frei und der Julianische Kirchenstaat aufgehoben ward.
Venedig eilte, den neuen Herrscher Frankreichs zu beglückwünschen und ihn einzuladen, schnell in Italien zu erscheinen. Franz I. erneuerte die Liga mit dieser Republik, wie den Frieden mit Heinrich VIII. von England; er bewog auch den Erzherzog Karl zu einem Vertrage; die Schweizer, die er an sich ziehen wollte, wiesen ihn ab. Als von seinen Rüstungen ganz Frankreich zu lärmen begann, vereinigten sich im Februar 1515 der Kaiser, Spanien, die Schweizer, Mailand, Florenz und Genua zu dem vom Papst ursprünglich angeregten Bunde. Leo selbst trat ihm noch nicht förmlich bei, weil er mit demselben Könige in Unterhandlung stand, gegen welchen dies Bündnis gerichtet war. Er schwankte um so mehr, als im Monat Februar Julian Medici sich am französischen Hofe mit Filiberta vermählt hatte, und diese Prinzessin war die leibliche Schwester Louisens, der Mutter des Königs Franz.
Julian kam mit seiner Gemahlin nach Rom, wo der Papst ihm einen fürstlichen Hof gründete. Die Feste des Empfangs verschlangen mit der Aussteuer und den Brautgeschenken die Summe von 150 000 Dukaten. Diesen geliebten Bruder wollte Leo großmachen. Zuerst hatte er das Reichslehen Modena am 17. Juni 1514 vom geldbedürftigen Kaiser um 40 000 Dukaten erhandelt. Aus Modena und Reggio, Parma und Piacenza sollte für Julian ein Fürstentum geschaffen werden. Pläne in bezug auf Neapel wurden erwogen. Wenn Franz I. dieses Königreich Julian Medici überließ, so wollte der Papst ihm Mailand gönnen: dies ließ er ihm vertraulich durch Canossa sagen. Der König Franz schickte den berühmten Budeus und andere Gesandte nach Rom, wo ihnen Hieronymus Vich, der Orator Spaniens, und Alberto Pio von Carpi, der Botschafter des Kaisers, entgegenarbeiteten, um Leo zum Beitritt zur Liga zu bewegen. Es gelang ihnen, weil Franz I. die Forderungen des Papsts denn doch zu übertrieben fand. Als Erbe der Anjou wollte er Neapel im Falle des Sieges für sich selbst behalten, Julian nur in seinen Besitzungen unterstützen und mit einer Rente versorgen, Parma und Piacenza als Teile des Herzogtums Mailand betrachtet wissen.
Erst als sich Leo vom Könige fast verächtlich abweisen sah, entschloß er sich am 17. Juli 1515, der Liga Spaniens und des Kaisers offen beizutreten. Dieser Bund war auch seiner Neigung gemäß: denn selbst die Familienverwandtschaft mit Frankreich veränderte nie seine ursprüngliche Gesinnung. Jetzt suchte er auch England zum Kriege mit Frankreich zu bewegen; den Günstling Heinrichs VIII., Thomas Wolsey, machte er deshalb im September 1515 zum Kardinal.
Die Hauptkraft der Liga bestand auch jetzt in den Eidgenossen, welche 30 000 Mann stark die Alpen herabkamen, Mailand noch einmal zu verteidigen. Cardona führte die Spanier, Prospero Colonna die Truppen Sforzas; Julian Medici war vom Papst zum Governator von Parma und Piacenza, Reggio und Modena und zum Feldhauptmann der Kirche ernannt worden. Weil er aber in Florenz schwer erkrankte, übernahm Lorenzo, der Kapitän der Florentiner, auch den Oberbefehl über das päpstliche Heer. Legat bei diesem war der Kardinal Julius Medici.
Die Alpenpässe waren besetzt, das Eindringen der Franzosen schien daher unmöglich: aber Trivulzio führte seine Armee – es dienten in ihr auch die deutschen schwarzen Banden unter Robert von der Mark – auf den beschwerlichsten Wegen über die Cottischen Alpen nach Saluzzo, ehe der Feind dies ahnen konnte. Bei Villafranca wurde Prospero jählings überfallen und mit seinen besten Kapitänen, Cesare Fieramosca, Pietro Margano, Brancaleone, dem Grafen von Policastro, gefangen. Diese unerwartete Niederlage machte den Papst so bestürzt, daß er schon Rom verloren sah und an Flucht nach Gaëta oder Ischia dachte. Er befahl Lorenzo Medici, in Piacenza stehen zu bleiben, und seine aufgefangenen Briefe an den König Frankreichs zwangen auch die mißtrauischen Spanier zur Untätigkeit. Er schickte seinen Vertrauten Cencio in das französische Lager mit Vorschlägen; nur die Mahnungen des Kardinals Julius hielten ihn vor einem übereilten und schimpflichen Vertrage ab: denn an der furchtbaren Kraft der Schweizer, der Sieger bei Novara, werde, so hoffte man, der französische Stoß zerschellen müssen.
Frohen Mutes war Franz I. von Turin aufgebrochen und unaufhaltsam vorwärts gerückt: da warfen sich ihm diese Schweizer bei Marignano entgegen. Dort drängte sich noch vor Beginn des Kampfes Canossa an den jungen Monarchen mit Friedensvorschlägen heran: »Es ist Zeit dazu nach der Schlacht, die alles entscheiden wird«, so sagte ihm der König. Zwei Tage lang, den 13. und 14. September 1515, wurde mit Wut gekämpft. Todesverachtend stürzten sich die Eidgenossen gegen die Kanonenschlünde der feindlichen Lagerwälle. Der Kardinal von Sitten entflammte in Person ihre wilde Streitlust. Die Nacht trennte den grimmigen Kampf. Auf ihren Waffen ruhten diese starken Alpensöhne, mit Ungeduld das Morgengrauen erwartend, um sich von neuem in den Feind zu stürzen. Schon wankte am 14. September das französische Heer; mit Mühe hielt es der König fest, unermüdlich hin- und hersprengend auf seinem großen Pferde. Als am Abend Alviano von Lodi her mit venetianischen Reitern erschien, wurde die riesige Schlacht für den König gewonnen. Auf dem Schlachtfelde schlug ihn Bayard zum Ritter. Geordnet und mit ihrem Geschütz zogen die Reste des Schweizer Fußvolks nach Mailand ab. Bei Marignano wurde der Glaube an ihre Unüberwindlichkeit zerstört und dem politischen Einfluß der Eidgenossen auf die Geschicke der Lombardei damit ein Ende gemacht.
Alle Städte des Herzogtums und Mailand selbst ergaben sich jetzt dem siegestrunkenen König. Von seinem Minister Morone verraten, überlieferte am 5. Oktober auch Sforza das Mailänder Kastell dem Connetable Karl von Bourbon und sich selbst dem Könige, der ihn als seinen Pensionär nach Frankreich fortschaffen ließ. Während nun Cardona von Piacenza eilig nach der Romagna abzog und die Päpstlichen nach Reggio zurückgingen, belagerte Alviano Brescia. Hier erkrankte dieser berühmte Feldherr und starb in Kastell Gaido am 17. Oktober. An seiner Stelle wurde Teodoro Trivulzio Feldhauptmann der Venetianer.
Unterdes hatte die Niederlage der für unbesiegbar gehaltenen Schweizer die tiefste Bestürzung im Vatikan erregt. Ein am Anfange der Schlacht vom Kardinal von Sitten voreilig abgesandter Siegesbote war hier zuerst eingetroffen, worauf die Schweizergarde und Kardinal Bibiena Freudenfeuer anzündeten. Folgenden Tags kam der venetianische Botschafter Marin Zorzi in den Palast mit den Depeschen seiner Signorie. Er ließ den Papst wecken, zeigte ihm die Briefe und sagte: »Heiliger Vater, gestern gabt Ihr mir eine schlechte und falsche Nachricht, heute bringe ich Euch eine wahre und gute: die Schweizer sind geschlagen.« Der Papst las die Depeschen und rief: »Was wird nun mit mir und mit euch geschehen?« »Uns wird es gut ergehen«, antwortete der Botschafter, »denn wir sind mit dem Könige, und Ew. Heiligkeit wird kein Leid widerfahren.« »Herr Botschafter«, sagte der Papst, »wir wollen sehen, was der allerchristlichste König tun wird; wir wollen uns in seine Hände geben und Misericordia rufen.« Leo faßte die Wendung, welche seine Politik zu nehmen hatte. Hier gab es keine Aussicht mehr auf einen Umschwung der Dinge wie nach der Schlacht bei Ravenna. Wenn der König seinen Sieg benutzte, so konnte ihn nichts mehr hindern, über den Po zu gehen, durch Toskana nach Rom, ja bis nach Neapel vorzudringen. Er konnte Parma und Piacenza besetzen, die Medici wieder aus Florenz verjagen, die Bentivogli nach Bologna zurückführen.
Leo eilte, unter Vermittlung Karls III. von Savoyen die Unterhandlungen abzuschließen, welche Canossa begonnen hatte, und dieser ausgezeichnete Mann beschwor den König, vom Weitermarsch abzustehen, wozu ihm Alviano so dringend geraten hatte. Franz I. sah sich zu Taten berufen, wie sie Gaston nach der Schlacht bei Ravenna würde vollführt haben; ein großer Augenblick winkte ihm, als Caesar den Rubikon zu überschreiten und das vielumkämpfte Italien seinem Zepter zu unterwerfen. So verzweifelt war die Lage dieses Landes, daß ein Florentiner Staatsmann das Geschick beklagte, welches Italien nicht erlaubte, in die Gewalt eines so großen Fürsten zu kommen, unter dessen Schutz es sich hätte erholen können. Aber der König fürchtete das Bündnis Englands mit dem Kaiser, die Wiederkehr der Eidgenossen und die Falschheit des Papsts. Schon hatte er Canossa zugesagt, mit Leo in Bologna zusammenzutreffen, wo der Vertrag mit der Kirche geschlossen werden sollte. Am 13. Oktober wurde in Viterbo zunächst ein Bündnis zwischen Franz I., dem Papst und der Republik Florenz entworfen, wonach sich der König verpflichtete, die Medici zu schützen, der Papst, ihm den Besitz Mailands zu erhalten. Diesen Vertrag brachte Lorenzo Medici dem Könige nach Mailand.
Viele Kardinäle, zumal Hadrian von Corneto, der Anhänger des Kaisers, hielten die Reise Leos nach Bologna für schimpflich, und so urteilten manche andere. Der Papst ließ sich nicht abhalten; er war klüger als seine Ratgeber; wie einst Leo I. Attila am Mincio zurückhielt, so wollte er Franz I. festhalten und in die Schlingen eines Vertrags verstricken. Er brach von Rom im Oktober auf, während Soderini als sein Vikar zurückblieb. In Viterbo sollten sich alle Kardinäle mit ihm vereinigen. Hier traf ihn Bonnivet, der Bote des Königs, und nachdem er mit vierzehn Kardinälen Beratung gehalten hatte, wurde die Fahrt fortgesetzt zur Begrüßung eines königlichen Jünglings, welcher dem Papst Gesetze vorschreiben konnte, wenn er dazu den Mut besaß.
Leo wollte über Siena nach Florenz gehen, weil aber jene Stadt voll Mißtrauen ihm vorstellen ließ, daß ein so zahlreicher Reisezug dort Mangel leiden würde, stand er davon ab. In Siena war gerade tiefe Gärung; der junge lasterhafte Sohn Pandolfo Petruccis, dort Haupt des Staats, sah sich von einer Gegenpartei bedrängt, die der Papst heimlich unterstützte. Leo zog nach Cortona. Hier nahm ihn Giulio Passerini glänzend auf, und holten ihn die Boten der Florentiner ein. Dann ging er weiter nach Arezzo. Es war ein heergleicher Prälatenzug, doch nicht von Mut beseelt wie jener, welchen einst Julius II. nach Bologna geführt hatte. Vor den Toren von Florenz verweilte Leo erst einige Tage zu Marignolle auf der Villa der Gianfigliazzi, dann hielt er am 30. November seinen prachtvollen Einzug in die Stadt seiner Väter. Sie zeigte sich schon den Medici verknechtet: sie empfing den Papst mit überschwenglichen Huldigungen. Sein Zug zur S. Maria Novella, wo er Wohnung nahm, war fast eine Wiederholung seines lateranischen Possesso. Herrliche Triumphbogen hatte man aufgebaut; und viel bewundert wurde die improvisierte Fassade des Doms, ein Werk Jacopo Sansovinos und seines Gehilfen Andrea del Sarto. In S. Lorenzo betete der Papst am Grabe seines Vaters, mit Tränen der Zeit gedenkend, wo dieser Schöpfer seiner Größe ihm den Kardinalspurpur erworben hatte. Als er nun, nach den glänzendsten Festen seiner Vaterstadt, am 8. Dezember Bologna erreichte, fand er hier nur finstere Gesichter: er hörte sogar den Ruf der Bentivogli: »Serra! Serra!« Am 11. kam der König mit strahlendem Gefolge und vieler Reiterei. Zwanzig Kardinäle empfingen ihn, die Hüte in der Hand, an der Porta St. Felix; Riario redete und dankte ihm, daß er geruht habe, persönlich zu kommen; er empfahl ihm das Wohl des Heiligen Stuhls und bot ihm die Dienste seiner Heiligkeit. Der König antwortete voll Herablassung, entblößten Hauptes und in französischer Sprache. Man führte ihn in die ihm bestimmten Gemächer des Palasts, von wo er alsbald zum Papste ging. Er küßte ihm den Fuß; der Papst erhob und umarmte ihn. Im öffentlichen Konsistorium leistete der König die Obedienz durch seinen Kanzler, welcher niederkniete, während er selbst bedeckten Hauptes aufrecht stand. Du Prat kannte die höfische Kunst nicht minder gut als der Portugiese Pacheco. Nachdem er sich von dem Anblick des »blendenden Strahlenglanzes« Leos erholt hatte, pries er zuerst die unsterblichen Verdienste der Medici um die Kultur, dann die Herrlichkeit und Größe des Papsts, aber auch den katholischen Eifer des Königs, der über Berge, Abgründe, Wälder, Flüsse und Feuerströme und durch die dichten Legionen der Schweizer sich hindurchgearbeitet habe, um den Heiligen Vater, den »göttlichen Menschen« in tiefster Demut zu verehren. Er lege nun alle seine Macht, seine Reichtümer, Heere und Flotten, sein Königreich und sich selbst zu den Füßen Seiner Heiligkeit nieder.
In dem freundlichsten Verkehr blieben König und Papst drei Tage in demselben Palast zu Bologna wohnen, während Leos liebenswürdiges Wesen alle Franzosen begeisterte, die trotzigen Bolognesen aber nicht freundlicher stimmte. Der König begehrte hier ein kostbares Geschenk, nichts weniger als die Gruppe des Laokoon. Vielleicht würde Leo ihm eher eines der Apostelhäupter als diesen Schatz bewilligt haben; nach seiner gewohnten Art versprach er, was Franz wünschte, um ihn dann später mit einer Kopie abzufinden, welche er von Baccio Bandinelli machen ließ. Nun wurde der Vertrag von Viterbo vollzogen: der Papst entsagte dem Bunde mit dem Kaiser, indem er in ein Schutz- und Trutzbündnis zum Könige trat. Er überlieferte diesem Parma und Piacenza; er versprach, in zwei Monaten gegen Geldentschädigung Reggio und Modena an Alfonso von Este zurückzugeben, denn dieser Fürst hatte sich voll Klugheit unter den Schutz des Königs gestellt. Dagegen nahm Franz den Kirchenstaat und die Medici in seinen Schutz; er versprach den Nepoten Leos Einkünfte und Würden in Frankreich. Den Herzog von Urbino, auf dessen Staaten es der Papst bereits abgesehen hatte, suchte er zu schützen, doch da Leo jede Verpflichtung, ihn zu schonen, ablehnte, gab der König seinen Schützling preis. Die Schweizer blieben aus dem Spiel, weil Franz mit ihnen schon im September zu Genf einen Frieden geschlossen hatte, der sie zu seinen besoldeten Verbündeten machte. In betreff Neapels deutete Leo ausweichend auf den nahen Tod Ferdinands als den günstigsten Augenblick für eine Unternehmung des Königs. Endlich kam man überein, die Pragmatische Sanktion, diese wichtige Autonomie der französischen Kirche, in ein Konkordat zu verwandeln, wonach der König die Bischöfe zu ernennen hatte, der Papst die Einkünfte der Vakanzen im ersten Jahr erhalten sollte. So wurde durch die knechtischen Dienste du Prats und die Klugheit des Papsts die Freiheit der gallikanischen Kirche schmachvoll verhandelt, und Leo X. erlangte einen Sieg, um den ihn Julius II. würde beneidet haben. Es war der letzte große geistliche Sieg des Papsttums überhaupt; nur ein Jahr darnach trat der gewaltige Luther auf. Der Vertrag Leos mit Frankreich erregte den tiefsten Zorn des Königs von Spanien. »Es scheint«, so schrieb er seinem Botschafter in Rom, »daß Seine Heiligkeit bisher ein doppeltes Spiel gespielt hat und daß all sein Eifer um die Vertreibung der Franzosen aus Italien nur eine Maske gewesen ist.«
Wohl zufrieden, verließ Franz I. Bologna am 15. Dezember, um nach Mailand zurückzukehren. Hier setzte er Bourbon als Vizekönig ein und kehrte dann am Anfang 1516 ruhmgekrönt nach Frankreich zurück. Der Papst aber hielt am 22. Dezember seinen Einzug in Florenz, wo er seinen Bruder Julian schwer erkrankt fand. Er feierte dort die Weihnachten und den Karneval. Am 19. Februar brach er nach Rom auf. Der Kongreß in Bologna war ein diplomatisches Kunststück Leos gewesen, aber im Grunde so nutzlos für Italien, wie für die politische Lage des Papsttums. Dort hatten nur zwei selbstsüchtige Menschen über ihre eigenen Vorteile sich verständigt, und diese waren größer auf der Seite des Königs als auf der des Papsts. Nicht allein gingen ihm Parma und Piacenza verloren, wurde ihm der Besitz von Modena und Reggio verwehrt, sondern das größte Werk Julius' II., die Vertreibung der Franzosen aus Italien, war kläglich zerstört worden. Leo haßte diese Herrschaft Frankreichs mehr als die des mittellosen Kaisers. Er setzte deshalb seine Bemühungen fort, die Venetianer mit Maximilian auszusöhnen. Aber diese führten den Krieg fort und belagerten Brescia, wo die deutschen Landsknechte und die Spanier sich tapfer verteidigten, während Marcantonio Colonna Verona behauptete.
Alle Mächte waren jetzt argwöhnisch gegen den Papst. In Wahrheit fand sich Leo, der im Beginne seiner Regierung nur den Frieden gewollt hatte, auf den Spuren Alexanders VI. Sein Bruder Julian stand in demselben Verhältnis zu Frankreich wie ehemals Cesare Borgia: er hatte eine dem dortigen Hof verwandte Gemahlin, den Titel eines Herzogs von Nemours und empfing französischen Sold. Zum tiefen Schmerze Leos starb er schon am 17. März 1516 in Florenz, erst 37 Jahre alt, ohne andere Erben zu hinterlassen als einen Bastard Hippolyt. Die Luftschlösser fürstlicher Größe, wozu ihn der Papst hatte erheben wollen, zerfielen. Julian, üppig und verschwenderisch, war trotzdem vielleicht der beste aller damaligen Medici gewesen und mitten im Sonnenglanz der Herrlichkeit Leos X. eine dunkle Gestalt, die wie ein Schatten vorüberzog. Man sprach von Vergiftung durch den neidischen Lorenzo, welcher mit oder ohne Grund eines Frevels nach dem Muster der Borgia für fähig gehalten wurde. Auf Lorenzo ging jetzt die ganze Liebe des Papsts über; er wurde Gonfaloniere der Kirche und sollte bald zu einer höheren Stellung aufsteigen.