Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
3. Verhältnisse in anderen Städten. Duces. Tribuni. Comites. Der Ducatus Romanus und seine Grenzen. Römisch Tuszien. Kampanien. Sabina. Umbria.
Wir werfen am Schluß dieses Kapitels einen Blick auf die Einrichtungen in andern dem Papst unterworfenen Städten und auf die Ausdehnung des römischen Dukats im besondern. Auch in kleineren wie größeren Orten hatte sich der Kern der Bürgerschaft als Miliz organisiert. Die antike Kurialverfassung war untergegangen; die obersten Stellen der Justiz, der Verwaltung und des Heers wurden vom Papst bestätigt oder besetzt. Bei der vorherrschend militärischen Organisation führten die Befehlshaber der Städte und Kastelle vorzugsweise Titel, welche ursprünglich Grade im Heer bezeichneten, wie Duces, Tribuni und bisweilen Comites. Aber die Benennungen schwanken; es findet sich für die päpstlichen Regierungsbeamten auch der allgemeine Begriff Actores, mit dem selbst fränkische Grafen bezeichnet werden. Zu ihnen rechnete man auch die eigentlichen Richter, denn Hadrian sagte in seinem Schreiben an Karl ausdrücklich, sein Vorgänger habe nach Ravenna als Judices, »um allen Gewaltleidenden Gerechtigkeit zu geben«, den Presbyter Philippus und den Dux Eustachius geschickt. Diese Teilung des Regiments zwischen einem Priester und einem Laien spricht dafür, daß der letztere nur mit den militärischen Angelegenheiten beauftragt war, aber Duces fanden sich auch mit der richterlichen Gewalt bekleidet. Man glaubt, daß Duces in den größeren Städten, in den kleineren Tribunen und Comites die Obrigkeiten waren; doch nicht immer läßt sich das nachweisen. Unter der Herrschaft der Griechen und Langobarden waren jene in den großen Städten Befehlshaber; wir finden sie noch im VIII. Jahrhundert in Venedig und Neapel, in Fermo, Osimo, Ancona und Ferrara, von Spoleto und Benevent nicht zu reden. Solche Duces waren zugleich Rektoren des ganzen Stadtgebiets, und man hat sie deshalb als maiores von den minores zu unterscheiden gesucht, welche keine so ausgedehnte Gewalt besaßen. Denn der Titel Dux ist nicht minder häufig anzutreffen als der des Konsuls, zumal nach dem VIII. Jahrhundert, und schon deshalb können nicht alle, die ihn führten, mit dem Regiment einer Stadt betraut gewesen sein. Im ganzen läßt sich die Annahme, nur größere Städte hätten Duces gehabt, wohl verteidigen, denn wir können im VIII. Jahrhundert keinen aufweisen, der im Landgebiete Roms als Dux einer Stadt wirklich bezeichnet wird. Toto mag das in Nepi gewesen sein, aber bestimmt ist es nicht; er tötete den Dux Gregorius, der sich seiner Usurpation widersetzte, und wir erfahren nur, daß derselbe in Latium wohnhaft war. Ohne Zweifel verwaltete er die ganze Landschaft Campania für die Kirche unter dem Titel eines Dux derselben; denn nach dem Erlöschen des byzantinischen Dukats muß eine neue Organisation der nun päpstlichen Provinzen stattgefunden haben; der Papst schickte Duces auch in die kampanische Landschaft wie später in die Sabina. In Rom selbst werden mehrmals Duces genannt, aber ihrer keiner gibt sich als Befehlshaber einer Stadt zu erkennen, noch wissen wir, ob er es irgend vorher gewesen war, mit Ausnahme des einen Eustachius. Sie konnten so gut Generale wie Palastbeamte und Richter gewesen sein und wurden in verschiedenen politischen Geschäften gebraucht. Ihr Titel, mit dem Prädikat Gloriosus verbunden, konnte leicht vom Papst erkauft oder als Auszeichnung geschenkt oder angemaßt sein, und wie jener der Konsuln war er vielleicht schon im VIII. Jahrhundert bei Familien erblich. Unter den Titeln, womit sich die Eitelkeit der Römer zu allen Zeiten schmückte und noch heute ziert, blieb er der begehrteste; es war schmeichelhaft, den Namen einer Würde zu führen, die von den mächtigen Fürsten von Spoleto und Benevent und von den Häuptern Venedigs und Neapels getragen wurde.
Tribunen mit dem Prädikat Magnificus werden einigemal in Landstädten erwähnt. So haben wir sie in Alatri und Anagni gefunden; aber auch bei ihnen läßt sich nicht immer unterscheiden, ob sie das Stadtregiment besaßen oder Anführer der Milizen waren oder in irgendeiner anderen Eigenschaft diesen Titel trugen. Als Sendboten oder Kommissare finden sich keine Tribunen vom Papst gebraucht, wo es wichtigere Aufträge galt. In der Stadt selbst blieben sie in ihrer militärischen Eigenschaft, wurden aber im VII. Jahrhundert bisweilen nach Ravenna geschickt, um neben den Geistlichen als Vertreter des Heeres die Akten der Papstwahl an den Exarchen zu bringen.
Über die Comites endlich herrscht dieselbe Unsicherheit. Denn nur von einem einzigen läßt sich nachweisen, daß er über eine Stadt gesetzt wurde, nämlich von Dominicus, welchen Hadrian im Jahre 775 zum Comes des kleinen Orts Gabellum ernannte. Daraus kann geschlossen werden, daß auch die Regierung anderer Kastelle solchen Comites mit Zivil- und Militärgewalt übertragen war. Bisweilen werden sie als Besitzer von Landgütern oder als Pächter von Patrimonien genannt und waren dann wohl Offiziere der römischen Miliz.
Wir endigen diese Untersuchung mit der geographischen Übersicht des Landgebiets von Rom oder dessen, was noch in jener Zeit »Ducatus Romanus« genannt wurde. Wir haben sie bisher aufgespart, weil eine bestimmte Epoche der Bildung des Dukats nicht angegeben werden konnte, weil ferner die Grenzen desselben wechselten und sich erst nach der Mitte des VIII. Jahrhunderts ein ziemlich bestimmter Territorialumfang erkennen läßt. Dieses Land wurde noch später in der Schenkungsurkunde Ludwigs des Frommen mit dem Begriff Ducatus bezeichnet, doch gegen die Mitte des VIII. Säkulum sahen wir von den Päpsten bereits den Namen der Respublica Romana oder Romanorum für dasselbe in Anspruch nehmen; so wurde es als das Gebiet betrachtet, auf dem die Titel des abendländischen Reichs beruhten.
Das römische Landgebiet wird noch heute durch den Tiber in zwei große Hälften geschieden, in Tuszien zu seiner Rechten und in Kampanien zu seiner Linken. Hier wie dort ist die Basis das Meer, etwa von der Mündung des Flusses Marta bis über den Fluß Astura gegen das Kap der Circe hinaus. Auf der nordöstlichen Seite landhinein zog sich eine dritte Gruppe fort, welche Teile Umbriens und der Sabina begriff. Es waren also die allgemeinen Grenzen das Meer, das übrige Tuszien (sowohl ducalis als regalis), das Herzogtum Benevent und Spoleto.
Das römische Tuszien umfaßt ein Gebiet, welches sich so umgrenzen läßt: durch das Meer vom rechten Tiberarm, wo Portus lag, bis zur Mündung der Marta; von hier kann die Grenzlinie hinaufgezogen werden über Tolfa, Bleda, Viterbo vorbei nach Polimartium (Bomarzo), bis sie den Tiber trifft, dessen Lauf von dort im Bogen bis wieder zum Meere Tuszien natürlich abschließt. Die Via Flaminia, die Cassia und Claudia durchschnitten Tuszien nordwärts, und vom Janiculus ging die Aurelia längs dem Meere fort. Die unveränderten Namen dieser alten Römerstraßen finden sich oft in jener Zeit, nur wurde statt Claudia manchmal bereits Clodia gesagt. Die Claudia ging über Careiae (Galeria) und Foro Clodio weiter und vereinigte sich dann mit der Aurelia-Emilia. Die Flaminia scheint schon damals Via Campana genannt worden zu sein. Die tuszischen Orte waren folgende: Portus, Centumcellae, Caere (heute Cervetri), Neopyrgi, Cornietum, Tarquinii, Manturianum, Bleda, Vetralla, Orchianum, Polimartium, Oriolum ( vetus Forum Claudii), Bracenum, Nepete, Sutrium; an der rechten Seite des Tiber Horta, Castellum Gallesii (Fescennia), Faleria, Aquaviva, Vegentum (in Ruinen), Silva Candida. Viterbo war Grenzstadt des langobardischen Tusziens, und Perusia bildete einen eigenen Dukat. Im VIII. Jahrhundert trat Centumcellae als Hafen und Nepe als Landstadt hervor. Fast alle jene Orte waren Bistümer.
Der Tiber trennte Tuszien von Kampanien, mit welchem Namen im Altertum im allgemeinen alles Land bezeichnet wurde von Rom bis zum Flusse Silaris in Lukanien, worin Capua als Hauptstadt lag. Doch im engern Sinne reichte die römische Campania bis zum Liris und dem Vorgebirge der Circe. Dies Land war Latium, aber seit Constantin dem Großen wurde dafür die Bezeichnung Campania gebraucht, welche oft im Buch der Päpste zu finden ist. Die Volsker- und Albanerberge scheiden diese Landschaft in zwei größere Gruppen; die nördliche wurde von der Via Labicana durchschnitten, und diese Hauptstraße, in welche die Latina am vierzigsten Meilenstein bei Compitum überging, gab dem ganzen dortigen Patrimonium den Namen. Die zweite große Straße, die Appia, durchzog die südlichere, vom Meer begrenzte Gruppe und gab dem andern Patrimonium seinen Namen. Auch die kleineren Römerstraßen, wie die Ostiensis und Ardeatina, dauerten noch fort. Von den alten Städten im südlichen Gebiet Kampaniens, der heutigen Maritima, waren im VIII. Jahrhundert viele verschwunden oder verödet, wie Ostia, Laurentum (heute Torre Paterno), Lavinium (Prattica), Ardea, Aphrodisium, Antium, dessen Bischof noch in den römischen Konzilien von 499, 501 und 502 genannt wird, worauf der Ort bis zum VIII. Jahrhundert nicht mehr erscheint. Auch Astura kommt in dieser Epoche nicht vor, dauerte aber noch fort. Kein Bischof wird in jenen Orten aufgeführt, außer in Ostia.
Die Grenze des Dukats war vor Terracina, denn diese kampanische Stadt gehörte wie Cajeta stets zum Patriziat Sizilien. Aber die römischen Grenzen sind auf dieser Seite sehr unsicher; wir vermuten nur aus dem hergebrachten Begriff, wonach schon Procopius die eigentlich römische Campania bis nach Terracina ausgedehnt hatte, daß auch der Dukat so weit fortgegangen sei. Es bleibt auffallend, daß später weder im Diplom Ludwigs des Frommen noch in dem Ottos irgendein Ort der heutigen Maritima genannt wird, sondern als Campania wird allein die nördliche Gruppe zwischen Volskerbergen und Apennin aufgeführt, und weder die bischöfliche Stadt Albano, noch Velletri, noch Cori und Trestabernae werden genannt. Wenn aber diese Städte seit Gregor häufig in der Geschichte der Bistümer vorkommen, so haben wir sie doch niemals in politischen Verhältnissen nennen gehört. Dies Schweigen ist bei den meisten Orten erklärlich, bei anderen vielleicht nur zufällig, und wie darf geglaubt werden, daß entweder der Herzog Benevents, oder jener von Spoleto, oder der Patricius Siziliens seine Herrschaft bis nach Albano erstreckt habe, ohne daß es dann während der Unruhen des Bilderstreits zu Konflikten zwischen ihnen und Rom kam? Von solchen aber hörten wir schon bei Terracina wie nordwärts bei Sora, Arce und andern Städten an der Grenze. Die Geschichtslosigkeit der heutigen Maritima in jenen Jahrhunderten erklärt sich durch die Unbeträchtlichkeit der Orte und ihren Verfall wie überhaupt durch die Verödung der Meeresküste und des pontinischen Sumpflandes von Velletri bis Terracina hin, während auch die Via Appia als Militärstraße unbrauchbar geworden war. Dagegen trat das lateinische Landgebiet durch ansehnliche Städte und kräftiges Gebirgsvolk zu allen Zeiten bedeutender hervor; es wurde vorzugsweise mit dem Namen Campania benannt. Es reichte bis an den Liris, wo heute bei Ceprano die Grenze des Kirchenstaates ist, und umfaßte die noch jetzt beträchtlichen bischöflichen Städte Praeneste, Anagnia, Alatrium, Verola, Signia, Patricum, Ferentinum und Frusino. Ober den Liris hinaus scheint sich der Dukat bis zu einem unbekannten Ort Horrea ausgedehnt zu haben. Wir nannten bereits im VII. Jahrhundert die Grenzstädte Arpinum, Arx, Sora und Aquinum, welche von dem Langobardenherzoge Benevents besetzt und von Hadrian beansprucht wurden. Bestimmt läßt sich daher die Grenze auch auf dieser Seite nicht angeben.
Indem die römische Campania nordwärts vom Anio begrenzt wurde, war das über jenen Fluß und den Tiber hinaus gelegene Land Sabina und Umbria. Die sabinische Landschaft hatte im Westen den Tiber zur Grenze, im Süden den Anio, gegen Norden die Flüsse Nar und Velinus, gegen Osten Abrutium ulterius. Sie grenzte demnach an römisch Tuszien, von welchem sie der Tiberfluß, an Latium oder die Campania, wovon sie der Anio schied, und an Umbria, wo der Fluß Nar die Grenze machte. Indes den größten Teil der Sabina besaß der Herzog von Spoleto, und sein Gebiet erstreckte sich vom Bach Allia am vierzehnten Meilenstein vor dem Salarischen Tor über Monte Rotondo (Eretum), Farfa und das alte Cures bis nach dem Reatischen hinauf. Zum römischen Dukat gehörten folgende namhafte sabinische Städte: Fidenae, Nomentum, Gabii, Asperia, Ocricolum und Narnia. Einige sabinische Orte, selbst in der unmittelbaren Nähe Roms, waren durch die wiederholten Kriegszüge der langobardischen Herzöge untergegangen oder dauerten nur in Trümmern fort. Eretum, Crustmeria, Fidenae, Gabii, Ficulea, Antemnae verschwanden allmählich. Selbst Cures, die Vaterstadt des Numa und Ancus Martius, welche den Römern einst den Titel der Quiriten gegeben hatte, ging in der Langobardenzeit unter und dauerte nur im Namen eines Weilers »Correse« fort. Nur Nomentum erhielt sich als ein Bistum noch bis ins X. Jahrhundert. Bei Narni machte der Fluß Nar die Grenze; jenseits desselben begann Umbria, wo die Städte Ameria und Tuder (Todi) lagen, welche, wie wir sahen, dennoch politisch zu römisch Tuszien gezählt wurden. Drei Hauptstraßen führten noch immer unter ihren antiken Namen durch die sabinische Landschaft, die Tiburtina, welche vom zwanzigsten Meilenstein ab Valeria hieß und dem Anio entlang bis Alba fortlief, die Nomentana und endlich die Salara, in welche jene hinter Nomentum einmündete.