Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Fünftes Kapitel

1. Anastasius IV. Hadrian IV. Er legt das Interdikt auf Rom. Vertreibung Arnolds von Brescia. Friedrich I. kommt zur Krönung. Gefangennahme Arnolds. Der Steigbügelstreit. Rede der Senatoren vor dem König und dessen Antwort. Zug nach Rom.

Der Kardinal Konrad, Römer aus der Suburra, bestieg am 12. Juli 1153 den Heiligen Stuhl als Anastasius IV. Seine Wahl war einmütig und durch den Senat nicht gestört; denn obwohl dieser der Wahlhandlung beiwohnte, griff er doch nicht in die geistliche Sphäre ein; aber die Päpste sahen sich seither einer neuen Gewalt gegenüber, welche ihnen die Anerkennung versagte, wenn sie nicht selbst von ihnen anerkannt wurde. Der greise Anastasius scheint sich keine Eingriffe in die Verfassung Roms erlaubt zu haben; er lebte ruhig in der Stadt und starb daselbst schon am 3. Dezember 1154.

Ein Mann von seltener Kraft wurde jetzt Papst, Nikolaus Breakspear, ein Angelsachse von Stamm. Wissensdurst hatte einst den Sohn eines armseligen Priesters aus St. Albans nach Frankreich getrieben, wo er nach manchen Schicksalen Prior von St. Rufus bei Arles geworden war. Seine Bildung, seine Rednergabe und Wohlgestalt machten Eugen III. auf ihn aufmerksam, als er in Klosterangelegenheiten nach Rom kam. Dieser Papst erhob ihn zum Kardinal von Albano und schickte ihn als Legaten nach Norwegen, wo er die Kirche mit großer Umsicht einrichtete. Nikolaus, eben von seiner Sendung zurückgekehrt, wurde einstimmig erwählt und bestieg am 5. Dezember 1154 den Heiligen Stuhl als Hadrian IV. Die Engländer haben nur einmal mit einem ihrer Landsleute den Stuhl Petri besetzt, und dieser eine Papst war als Knabe in die Fremde gegangen, weil er sich schämte, in der Heimat Almosen zu suchen. Jahre vergingen, und der Bettler von St. Albans schrieb an den englischen König, daß Irland und andere Inseln von Rechts wegen ihm, dem Papste, gehörten.

Hadrian IV. trat sofort der römischen Kommune gebieterisch entgegen; der Senat weigerte ihm, er dem Senat die Anerkennung. Er wollte die Verfassung auf dem Kapitol stürzen und hoffte, dies mit den Waffen Friedrichs zu tun, der schon im Oktober nach Italien gezogen war und den Konstanzer Vertrag bestätigt hatte. Er forderte die Ausweisung Arnolds, welche seine Vorgänger wiederholt verlangt, nie durchgesetzt hatten. Der gefährlichste aller Ketzer konnte seine Lehren jahrelang den Päpsten ins Gesicht predigen, denn der Senat schützte und das Volk vergötterte ihn. Mit dem Sturz dieses einen Demagogen hoffte Hadrian, die Republik zu begraben, und die Römer, welche von Friedrich wenig zu erwarten hatten, wandten sich insgeheim an Wilhelm I., der seinem berühmten Vater Roger im Februar 1154 auf dem Throne Siziliens gefolgt und mit dem Papst sofort in Streit geraten war. Man rief ihn vielleicht herbei, den Kirchenstaat mit Krieg zu überziehen, ehe noch der deutsche König nach Rom kam.

Nicht einmal vom Lateran konnte Hadrian Besitz nehmen, sondern er blieb im verschanzten St. Peter wohnen. Was Italien heute dem Papst vorschlägt, sich mit der Leonina zu begnügen, wo er gleichsam wie ein großer Abt in einer Klosterfreiheit wohnen dürfe, hatten die Römer damals ausgeführt; denn tatsächlich war Hadrian IV. auf die Leostadt beschränkt. Durch den steigenden Haß gegen die Priester, an deren Widerstande die bürgerlichen Bedürfnisse der Römer scheiterten, wurde indes bald eine Katastrophe herbeigeführt: die Verwundung eines Kardinals, den man auf der Via Sacra gedolcht hatte, machte Hadrian zu einem Verbrechen an der Majestät der Kirche; er legte das Interdikt auf Rom. Dies furchtbarste aller Schreckmittel jener Zeit hatte nie zuvor ein Papst gegen die Stadt anzuwenden gewagt, auch wenn er von den Römern persönlich mißhandelt worden war. Der entschlossene Engländer bebte nicht davor zurück; er verfluchte Rom, um dem Volke die Vertreibung Arnolds abzunötigen. Man muß das Verhältnis des Interdikts, einer Art moralischer Aushungerung, zum Glauben jener Zeit kennen, um seine Wirkung zu begreifen. Mit ihm wurde jeder Gottesdienst aufgehoben, keine Messe gelesen, kein Sakrament gereicht als Taufe und Sterbekommunion, und auch diese unter schreckenden Formen. Tote wurden nicht mehr in geweihter Erde bestattet, und auf dem Kirchhof segnete man die Ehen ein. Nie hat menschlicher Scharfsinn ein so unblutiges und doch so schauerliches Mittel der Gewalt erdacht, und keins war in Zeiten des Aberglaubens geeigneter, selbst große Fürsten zu bezwingen, da ein Wort aus Priestermunde die Kraft besaß, ihre verzweifelnden Völker zum Aufstande zu treiben. Das Interdikt, vor dem XII. Jahrhundert nur äußerst selten angewendet, wurde seither häufig von den Päpsten über Städte und Länder verhängt; aber die grausame Maßregel, wenige Schuldige durch die Qual zahlloser Schuldloser zu erreichen, rächte sich an der Kirche selbst, indem sie die Liebe zu ihr minderte und Ketzereien hervorrief; endlich stumpfte sich die Wirkung am häufigen Gebrauch wie an der steigenden Aufklärung ab.

Kurze Zeit ertrugen die Römer das Interdikt mit trotziger Verachtung; aber die Frommen und Schwachen, die Weiber und Priester brachen den Widerstand, zumal schon der vierte Ostertag ohne Messe dahinging. Da erhob sich das Volk am Mittwoch mit Geschrei, und die von ihm bestürmten Senatoren warfen sich dem Papst flehend zu Füßen. Er willigte ein, den Fluch von Rom zu nehmen, wenn Arnold sofort vertrieben werde. Der unglückliche Reformator erfuhr das Los aller Propheten; das Volk, welches er so lange bezaubert hatte, gab ihn preis. Er floh aus Rom, nachdem er dort neun Jahre lang der bürgerlichen Freiheit seine Talente gewidmet hatte. Von Anhänger zu Anhänger, von Burg zu Burg irrend, hoffte der Geächtete nach einer der Republiken Mittelitaliens zu gelangen, wohin der Arm des Papsts nicht reichte. Hadrian aber hob am Ostermittwoch, den 23. März, das Interdikt auf; die moralische Finsternis wich von Rom, und Festprozessionen führten den Papst zum erstenmal nach dem Lateran.

Unterdes bedrängte Wilhelm I. die Kirche mit Krieg, indem er Benevent belagerte, Ceprano und andere Kastelle in Latium verbrannte; sodann zog er unter schrecklichem Verheeren von Frosinone nach Aquino zurück, als der deutsche König nahte und Rom ruhig blieb. Schon war Friedrich I. in Tuszien, wo er Pisa aufforderte, die Flotte zum Normannenkriege zu rüsten, welchen er jetzt im Bunde mit dem Papst, den apulischen Exilierten und dem Kaiser Manuel zu führen gedachte. Der Schrecken seiner lombardischen Kriegstaten zog vor ihm her; er kam auf der Tuszischen Straße, furchtbarer als Heinrich V., während der Papst nicht wußte, ob er einen Freund oder Feind empfangen solle. Das Schicksal Paschalis' II. hatte einen unauslöschlichen Eindruck auf die Kurie gemacht, und kein Vertrag konnte die Spannung mildern, die zwischen den beiden Mächten fortbestand. Wenn die deutschen Könige gegen Rom rückten, zitterten die wehrlosen Päpste wie vor Feinden, welche sie zu morden kamen, und jene selbst erwogen die Möglichkeit, durch Gift oder Dolch umgebracht zu werden. Unter den seidenen Pallien lagen schon die geschliffenen Schwerter, welche die Römer unfehlbar ergriffen, den Nationalfeind im Überfall zu schlagen. Fand die Krönung statt, so sahen sich die Päpste in der Lage Daniels in der Löwengrube, aber sie warfen mit Geschick einen moralischen Zauber über die grimmigen römischen Könige und atmeten endlich froh auf, wenn diese furchtbaren Advokaten der Kirche nach erlangter Krone, nach zurückgelassenen Pergamenten und der geschlagenen Krönungsschlacht wieder von dannen zogen.

Anfangs Juni ging Hadrian nach Viterbo, begleitet vom Präfekten Petrus, von Oddo Frangipane und andern Großen seines Hofs. Der schnelle Anmarsch Friedrichs ängstigte ihn; er schickte ihm deshalb drei Kardinäle entgegen, welche ihn bei S. Quirico in Tuszien trafen. Um seine Gesinnung zu ergründen, forderte er die Auslieferung des Ketzers Arnold. Denn dieser Flüchtling war kurz vorher bei Bricola in die Gewalt des Kardinals Oddo gefallen, aber die Vizegrafen von Campaniano hatten ihn befreit und auf ihre Burg in Sicherheit gebracht, wo sie ihn »wie einen Propheten« feierten. Begierig, jedes Hindernis zur Krönung zu entfernen, zögerte Friedrich nicht, seinen guten Willen zu zeigen; er schickte Truppen nach jener Burg, ließ einen der Grafen aufheben und erzwang die Auslieferung Arnolds. Der Freund Abälards wurde den Legaten des Papsts übergeben, um zu passender Zeit in Rom gerichtet zu werden.

Wegen der Krönung unterhandelte man mit ängstlicher Vorsicht: der mißtrauische Hadrian hatte sich nach Civita Castellana zurückgezogen, doch Friedrich beruhigte ihn, indem er ihm nochmals die Erfüllung des Konstanzer Vertrags beschwören ließ. Das deutsche Heer lagerte in Campo Grasso bei Sutri, wo der Papst von Nepi herbeikommen und die Begrüßung geschehen sollte. Als er nun am 9. Juli auf das königliche Zelt zuritt, fand im Angesicht des Heers die sonderbarste Szene statt. Der junge, stolze Monarch kam ihm nicht entgegen, um der Demütigung des Steigbügelhaltens auszuweichen; denn solchen Dienst beanspruchten die Päpste schon seit langem, und mancher Fürst hatte ihn geleistet. Sie nannten sich zwar in Erinnerung an die Demut Christi Knechte der Knechte Gottes, aber sie forderten zugleich, daß die Kaiser ihnen als Stallknechte dienten. Es ist komisch zu sehen, welchen panischen Schreck die bloße Nichtachtung dieses Hofdienstes unter den Kardinälen verbreitete: sie wandten ihre Pferde, flohen nach Civita Castellana zurück und ließen ihren Papst im Stich. Bestürzt stieg dieser ab, sich auf einem Sessel niederzulassen; nun erst kam der junge Held und warf sich ihm zu Füßen, aber der beleidigte Papst weigerte ihm den Friedenskuß. Ein Steigbügel wurde zum Gegenstande langer und ernster Verhandlung zwischen den höchsten Würdenträgern der Christenheit, bis Fürsten, die einst Lothar zum Romzuge begleitet hatten, den König bewogen, in dieser kindischen Angelegenheit nachzugeben. Der machtvollste Kaiser verwandelte sich folgenden Tags in den Stallknecht des Vikars Christi, indem er einen Steinwurf weit neben dem Zelter des ehemaligen Bettelknaben von St. Albans herging und kräftig den Steigbügel anzog.

Die zweite Macht, welche ein gesetzmäßiges Recht bei der Kaiserwahl besaß, das Volk der Römer, war von Friedrich noch nicht vernommen worden. Ihr beiderseitiges Verhältnis blieb zweifelhaft und ungewiß, ob Rom die Tore öffnen oder schließen werde. Noch war überhaupt kein Kaiser gekrönt worden, seitdem der Senat auf dem Kapitol errichtet war; noch hatte kein Kaiser ihn anerkannt. Diesseits Sutri stellten sich Friedrich stolz und kühn die Boten der jungen Republik der Römer dar. Ihre Forderungen, ihre Rede, die Antwort des Hohenstaufen sind, wenn auch in der literarischen Fassung Ottos von Freising, kostbare Zeugnisse jener Zeit.

»Wir Boten der Stadt (so sprachen die Gesandten vorn Kapitol), nicht geringe Männer Roms, sind vom römischen Senat und Volk an deine Herrlichkeit abgeschickt. Höre wohlwollend, was die erlauchte Herrin der Welt, deren Kaiser du mit Gottes Hilfe bald sein wirst, dir entbietet. Kommst du in Frieden, so freue ich mich. Du verlangst nach der Herrschaft des Erdkreises, und froh erhob ich mich, dir selbst mit der Krone entgegenzueilen. Warum solltest du nicht in Frieden und Gnaden deinem Volke nahen, welches, bemüht das unwürdige Joch der Priester abzuwerfen, deine Ankunft so lange und sehnsuchtsvoll erwartet hat. Der Glanz alter Zeiten, die Freiheit der erlauchten Stadt sollen wiederkehren; möge Rom unter solchem Kaiser die Zügel der Alleinherrschaft über die rebellische Welt wieder ergreifen und ihr Regierer mit dem Namen auch den Ruhm des Augustus vereinen. Du weißt, daß die Stadt Rom durch die Weisheit ihres Senats und die Tapferkeit ihrer Ritterschaft von Meer zu Meer bis zu der Welt Enden, ja bis zu den Inseln außerhalb des Erdkreises ihren Arm machtvoll ausgestreckt hat. Nicht die Wogen des Ozeans, nicht die unzugänglichen Alpen konnten die Völker schützen; römische Tapferkeit hat sie alle überwunden. Doch leider (so rächte sich die eigene Schuld), jener ruhmvolle Fürstenadel unsers Altertums (ich rede vom Senat) entwich von uns, verkam in waffenloser Trägheit, und mit der schwindenden Weisheit verfiel auch die Kraft. Da erhob ich mich; deinen und der göttlichen Republik Glanz zu erneuern, stellte ich Senat und Ritterstand wieder her, damit durch den Rat jenes, durch die Waffen dieses dem Römischen Reich und dir die alte Herrlichkeit wiederkehre. Sollte deiner Hoheit das nicht erfreulich sein? Solltest du ein so glorreiches und deinem Ansehen so förderliches Werk nicht auch eines Lohnes für würdig erachten? Höre denn, o Fürst, mit freundlicher Geduld das wenige, was ich von deiner und meiner Pflicht, doch eher von der deinen als der meinen zu sagen habe. Denn »von Zeus der Anfang!« Erst warst du mein Gastfreund, nun habe ich dich zum Bürger gemacht. Was rechtlich mein war, gab ich dir. Demnach bist du mir zunächst verpflichtet, die Aufrechthaltung meiner guten Gewohnheiten und der alten, von deinen Vorgängern verbrieften Gesetze zu beschwören, daß nicht Barbarenwut sie schädige. Meinen Beamten, denen es zusteht, dich auf dem Kapitole auszurufen, sollst du bis zu 5000 Pfund entrichten; bis aufs Blut sollst du jede Kränkung von der Republik abwehren und alles dies durch Eide und Urkunden bekräftigen.« Hier schnitt Friedrich den pomphaften Rednern entrüstet das Wort ab. Sie schwiegen bestürzt, während der Mann, der ihnen den Geist eingeflößt hatte, gekettet in einem Zelt sein Schicksal erwartete, welches eine solche Rede beschleunigte.

Als der junge Fürst die hochtrabende Deklamation von Männern aus der in Schutt gesunkenen Stadt Rom vernahm, die sich einer Sprache vermaßen, wie sie der alte Senat nie vor den Cäsaren gewagt hatte, mochte er Wahnsinnige vor sich zu sehen glauben. Kein Widerspruch konnte greller sein als der, in welchem sich ein Kaiser deutscher Nation, ein Friedrich I., zu den Römern befand. Der hohenstaufische König, von seinem Machtgefühl erfüllt, verstand den neuen Geist der Freiheit nicht, welcher die Städte Italiens entflammt hatte. Nur die Ehrfurcht vor Rom war noch so achtunggebietend, daß er sich herabließ, den Senatoren zu antworten.

»Vieles«, so sagte er, »hörte ich von der Tapferkeit, doch weit mehr von der Weisheit der Römer. Darum muß ich staunen, daß eure Rede so sehr von einfältiger Anmaßung aufgebläht, so ganz alles Verstandes bar ist. Du hältst mir den Adel deiner alten Stadt vor, du erhebst die Vergangenheit deiner Republik zu den Sternen. Ich gebe das zu, und mit deinem Geschichtschreiber sage ich: einstmals war in dieser Republik die Tugend. Rom hat den Wechsel der Dinge unter dem Mond erfahren; oder konnte etwa diese Stadt allein dem Gesetz alles Irdischen entgehen? Es ist weltbekannt, wie zuerst die Kraft deines Adels von dieser unserer Stadt nach Byzanz verpflanzt worden ist und wie durch lange Zeit der entartete Grieche dein köstlich Mark gesogen hat. Dann kam der Franke drüber her, ganz so edel durch Taten, wie es sein Name sagt; und auch den letzten Rest edelfreier Natur hat er dir geraubt. Willst du wissen, wo der alte Ruhm deines Rom, der würdevolle Ernst des Senats, die tapfere Zucht der Ritterschaft, die Taktik des Lagers und der unbezwingliche Schlachtenmut geblieben sind? Bei uns Deutschen ist jetzt alles dies zu finden; auf uns ist dies alles mit dem Reiche übergegangen. Bei uns sind deine Konsuln, bei uns dein Senat, hier deine Legionen. Der Weisheit der Franken und dem Schwert ihrer Ritterschaft wurdest du deine Erhaltung schuldig. Mag die Geschichte dartun, ob unsere erlauchten Vorfahren, Karl und Otto, die Stadt von jemandes Gnade empfangen oder sie samt Italien mit ihrem Schwert Griechen und Langobarden entrissen und dann dem Frankenreich einverleibt haben. Dies lehren deine Tyrannen Desiderius und Berengar; sie starben alt und grau in fränkischen Ketten, und ihre Asche bewahrt noch unser Land. Aber du sagst: die neuen Kaiser seien von dir gerufen; so ist es, doch warum? Dich bedrängten Feinde, und nicht einmal von den weichlichen Griechen vermochtest du dich durch eigene Kraft zu befreien. Da ward die Frankenkraft flehentlich gerufen; das Elend rief das Glück, Ohnmacht die Macht, Angst die selbstgewisse Kraft. So gerufen kam auch ich. Dein Herrscher ward mein Vasall, du selbst bis heute mein Untertan. Rechtmäßiger Besitzer bin ich. Wer wagt es, dem Herkules die Keule zu entreißen? Etwa der Sizilianer, auf den du hoffst? Mag ihn die Vergangenheit belehren; denn noch ist der Arm der Deutschen nicht erlahmt. Du forderst von mir dreierlei Eide; so höre: entweder ist deine Forderung gerecht oder nicht; ist sie dies, so darfst du nicht fordern, ich nicht bewilligen; ist sie jenes, so bekenne ich mich zu einer frei gewählten Pflicht. Darum wäre es unnötig, sie noch an einen Eid zu binden. Wie sollte ich dir das Recht brechen, da ich es selbst dem Geringsten wahren will? Wie sollte ich nicht den Sitz meines Reiches verteidigen, dessen Grenzen ich wiederherzustellen entschlossen bin? Das bezeugt das eben unterjochte Dänemark, und noch mehr Länder würden es bekunden, hätte mich nicht dieser Romzug daran gehindert. Du forderst endlich eidliche Zusage von Geldleistungen. Schämt Rom sich nicht, als mit einem Mäkler mit seinem Kaiser zu markten? Soll er des ersten besten Zahler statt ein Gnadenspender sein? Vom Geringeren fordert man die Leistung einer Pflicht, aber der Höhere spendet nur die ihm aberworbene Huld. Warum sollte ich wohl die von erlauchten Vätern ererbte Sitte deinen Bürgern vorenthalten? Nein! Mein Einzug soll für die Stadt ein Freudenfest sein; aber denen, die Ungerechtes unrechtmäßig fordern, will ich rechtmäßig alles weigern.«

Die Antwort Friedrichs, in der rhetorischen Form, die ihr sein Geschichtschreiber gegeben hat, war der Ausdruck des deutschen Nationalstolzes auf der Mittagshöhe dreihundertjähriger Weltherrschaft; doch sie wäre zu hoch gespannt gewesen, wenn sie nur den Senatoren Roms gegolten hätte; sie war vielmehr das hohenstaufische Krönungsprogramm. Der Herkules schlug mit der Keule seiner Macht jeden andern Anspruch nieder; er traf auch den Papst, welcher der einzige und wahre Kaisermacher zu sein behauptete. Hatte man doch im Lateran den willfährigen Lothar abzubilden gewagt, wie er kniend die Krone aus den Händen des Papstes nahm und dem Bilde die dreiste Umschrift gegeben:

Der König kommt daher vors Tor, nachdem aufs Recht der Stadt er schwor;
Wird dann des Papstes Lehnsvasall, der ihm die Krone reicht des All.

Der Unverstand der Römer, einen Gewaltigen so prahlerisch herauszufordern, entsprach ihren hohen Ideen von der Majestät der Ewigen Stadt, welcher sie durch die Errichtung des Senats ein neues Leben glaubten verliehen zu haben. Doch wenn es damals einen über den Gedankenkreis seiner Zeit erhabenen Mann im kaiserlichen Zelt hätte geben können, so würde er darüber gelächelt haben, daß Friedrich selbst die phantastischen Vorstellungen von der legitimen Gewalt des römischen Kaisers über die Welt mit den Senatoren in gleicher Überspannung teilte.

Die römischen Boten ritten grollend nach Rom zurück. Nun konnte Friedrich erwarten, daß die Republik ihm die Stadt verschließen und sie verteidigen werde. Der Papst riet ihm, in der Stille die Leonina durch auserlesene Truppen besetzen zu lassen, welche dort von den päpstlichen Leuten würden aufgenommen werden. Er riet, dieser Schar den deutschgesinnten Kardinal Oktavian mitzugeben, seinen ehrgeizigen Nebenbuhler, den er so aus dem Zelt des Kaisers entfernte. Tausend Ritter zogen ab und besetzten in der Morgendämmerung des 18. Juni ohne Widerstand die Leostadt.


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