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3. Paul I. stirbt 767. Usurpation des Dux Toto. Der Pseudopapst Constantin. Gegenrevolution in Rom. Christophorus und Sergius überrumpeln Rom mit langobardischer Hilfe. Die Langobarden setzen Philippus im Lateran ein. Stephan III. Papst. Terrorismus in Rom. Strafgericht über die Usurpatoren. Tod Pippins 768. Lateranisches Konzil 769.
Paul I. wird von seinem Lebensbeschreiber als ein Mann von milder Gesinnung und menschenfreundlicher Art geschildert. Jedoch die stürmischen Ereignisse in seinen letzten Stunden und nach seinem Tode beweisen, daß er als Dominus Roms nicht beliebt gewesen war. Sie aber waren die Folge der veränderten Stellung des Papsttums zur Stadt Rom. Die munizipalen Triebe erwachten hier wie aus einem langen Schlaf, sobald jenes eine weltliche Gestalt angenommen hatte und der politische Zusammenhang mit dem griechischen Reiche gelöst war. Unter den Waffen, welche die Römer zu ihrer Verteidigung gegen Langobarden und Griechen ergriffen hatten, waren sie zum Gefühle ihrer Kraft gekommen, so daß sich das Bedürfnis der städtischen Autonomie geltend zu machen begann. Seit dieser Zeit gibt es eine Geschichte der Aristokratie in der Republik Rom; die inneren Fehden der Stadt, die Kämpfe des Papsttums mit dem Adel nahmen ihren Anfang, und die Päpste sahen sich bald gezwungen, dem widerstrebenden Rom, welches zu beherrschen sie selbst unfähig blieben, einen neuen Kaiser zu geben. Der Preis des Papsttums stieg zugleich in den Augen der römischen Großen, seitdem sich mit ihm ein weltliches Fürstentum verbunden hatte. Die Optimaten, welche bei der Papstwahl einen entscheidenden Einfluß besaßen, strebten fortan danach, Päpste aus ihren eigenen Familien aufzustellen.
Der Papst lag sterbend im Kloster St. Paul vor den Mauern, und kaum verbreitete sich diese Kunde, als in der Stadt ein wilder Tumult entstand. Eine mächtige Adelspartei erhob sich, um ihre ehrgeizigen Absichten auszuführen. Ihr Haupt war Toto, wie es scheint Dux Tusziens und in Nepi wohnhaft; er besaß in der tuszischen Landschaft viele Güter und dienstbare Kolonen, aber auch in Rom einen Palast. Manche Paläste stammten hier noch aus dem Altertum und wiesen Denkmäler der Vorzeit auf; die Erinnerung an die früheren Besitzer, die Cetheger, Decier, Probi, Symmachi, Maximi war vielleicht zur Haussage geworden, vielleicht an alte Marmorbilder geknüpft; aber die Paläste selbst hatten die Metamorphosen Roms erlebt und waren hie und da in Klöster und Hospitäler oder in burgartige Wohnungen verwandelt, in denen ein verwildertes Geschlecht von zweifelhaftem Stamme sein Wesen trieb.
Der Dux Toto war mit bewaffnetem Volk und seinen Brüdern Constantinus, Passivus und Paschalis, noch ehe Paulus starb, von Nepi aufgebrochen und durch das Tor St. Pancratius in Rom eingedrungen, wo er sich in sein Haus geworfen hatte. Der Papst verschied am 28. Juni 767, von seiner ganzen Umgebung schmählich verlassen; nur ein einziger Presbyter oder Kardinal Stephanus hielt treu bei ihm aus. Am folgenden Tag ließ Toto seinen Bruder Constantin zum Papst wählen und führte ihn unter Waffenlärm nach dem Lateran. Die tumultuarische Wahl konnte nur durch eine Partei bewirkt sein, welche diese Großen auch unter dem römischen Klerus gebildet hatten. Ihre Namen sind teils lateinisch, teils byzantinisch. Die Frechheit der Usurpation wurde noch durch den Umstand gesteigert, daß Constantin Laie war; aber Toto zwang den Bischof Georg von Praeneste, seinen Bruder in einen Kleriker zu verwandeln und ihm nacheinander die Weihen eines Subdiaconus und Diaconus zu erteilen. Nie war eine Metamorphose schneller zustande gebracht: der erwählte Papst ließ sich unter dem Schrecken der Waffen seines Bruders den Eid der Treue von den Römern schwören und zog am Sonntag, dem 5. Juli, nach dem St. Peter, wo derselbe Georg nebst den Bischöfen Eustratius von Albano und Citonatus von Portus ihn ordinierte.
So nahm ein tonsurierter Landbesitzer den Stuhl Petri ein, welchen er ein Jahr lang behaupten durfte. Seine gewaltsame Erhebung wagte niemand zu hindern; selbst vom Einspruch eines fränkischen Boten wird nichts gehört, die Tatsache, daß ein damals anwesender fränkischer Gesandter mit dem ersten Schreiben Constantins ruhig nach Franzien abging, und ferner, daß solche Sendboten nur vorübergehend in Rom erschienen und oft vom Papst selbst herbeigewünscht wurden, beweist vielmehr, daß der König der Franken und Patricius der Römer noch keine direkte oberherrliche Gewalt in der Stadt ausübte. Während der ganzen Dauer der Usurpation wird nichts von einem Einschreiten Pippins oder von der Sendung eines Bevollmächtigten gehört; es sind nur die römischen Parteien, vor allem die Würdenträger des päpstlichen Palasts, welche handelnd auftreten.
Der Eindringling Constantin saß jedoch kaum auf dem Päpstlichen Stuhl, als er es nötig fand, die Gunst Pippins zu gewinnen. Er zeigte ihm als dem Patricius der Römer wie sein Vorgänger seine Erhebung an, bat um die Fortsetzung des Schutzverhältnisses zu Rom und versicherte, daß er dem Defensor der Kirche treue Ergebenheit bewahren werde. Er sagte ihm, daß er nach Pauls Tode vom Volk der Römer und der umliegenden Städte zu dessen Nachfolger gewählt sei, aber er verschwieg die Umstände seiner Erhebung. Pippin antwortete nicht, und Constantin ließ ein zweites Schreiben abgehen. Die unglückliche Puppe seines Bruders, der ihm die Tonsur hatte geben lassen, um selbst in Rom zu herrschen, stieß ängstlichere Seufzer aus. Es war eine halbe Wahrheit und die Ahnung seines Unterganges, wenn er schrieb, durch ungestüme Gewalt sei er von unzähligem einmütigem Volk gleichsam wie von einem Sturm auf die fürchterliche Höhe des Papsttums geschleudert worden. Er erneuerte den pflichtschuldigen Ausdruck ehrerbietigen Grußes und bitte den König, Verleumdern nicht ein Ohr zu leihen. Von einer Antwort Pippins hörte man nichts.
Die Reaktion gegen diese gewaltsamen Zustände ging von dem ersten Beamten der Kirche aus. Christophorus war unter Paul Primicerius der Notare und Konsiliar gewesen, das heißt sein erster Kanzler oder Staatssekretär nach heutigem Ausdruck; vergebens hatte er der Usurpation widerstrebt, dann sich mit seinen Söhnen an den Hauptaltar im St. Peter geflüchtet, wo ihm Constantin das Leben und die Freiheit, bis Ostern in seinem Hause zu wohnen, zugeschworen hatte. Christophorus war der oberste Würdenträger Roms, welchem die Leitung der Kirche während der Vakanz oblag, und sein eigener Sohn Sergius bekleidete das wichtige Amt des Sacellarius oder Sakristan. Beide verschworen sich mit andern Römern zum Sturze des Usurpators. Sie heuchelten Sehnsucht nach dem Mönchsstande, und Constantin war froh, sie loszuwerden, oder traute ihrem Schwur: er gestattete ihnen, Rom zu verlassen, um sich in das Kloster St. Salvator bei Rieti zurückzuziehen. Aber diese Männer eilten zu Theoditius, dem Herzoge Spoletos, und in dessen Begleitung nach Pavia.
Desiderius ging auf die Klagen der Exilierten mit Freuden ein; er erklärte sich bereit, ihnen zur Eroberung Roms Waffen zu leihen, aber er forderte für seine Hilfe Verpflichtungen, die ihm auch zugestanden wurden. Er gab ihnen den Presbyter Waldipert zum Begleiter in der geheimen Absicht, daß dieser für seine Zwecke tätig sei, und mit einem langobardischen Heerhaufen zogen Sergius und Waldipert nach Rom. Am 28. Juli 768 besetzten sie die Salarische Brücke, drangen am folgenden Morgen über die Milvische und rückten vor das Tor Pancratius. Die Wache, welche von Mitverschworenen gewonnen war, ließ sie ein. Doch furchtsam, wagten die Langobarden nicht, den Janiculus herabzusteigen. Auf den Ruf, Feinde seien in der Stadt, eilten Toto und Passivus nach jenem Tor, mit ihnen der Secundicerius Demetrius und der Chartular Gratiosus, Mitverschworene und Verräter. Ein riesiger Krieger Rachimpert stürzte Toto entgegen, erlag jedoch den kräftigen Streichen des Herzogs, und die Langobarden, die ihn fallen sahen, ergriffen bereits die Flucht, als jene beiden Verräter Toto mit ihren Lanzen durchbohrten. Da floh Passivus nach dem Lateranischen Palast, seinen Bruder zu retten, weil ihre Sache verloren war. Constantin flüchtete mit ihm und dem Bischof Theodor, seinem Vicedominus, in die Basilika des Lateran; sie verschlossen sich im Oratorium St. Caesarius, wo sie stundenlang am Altar saßen, während der Palast vom Lärm der Waffen und vom Geschrei der Suchenden widerhallte. Man ergriff sie und warf sie in den Kerker.
Mitten in diesem Tumult versammelte Waldipert ohne des Sergius Wissen die langobardische Partei unter den Römern. Eine solche besoldete Desiderius, und jener hoffte durch sie einen ihm ergebenen Papst zu erheben. Er zog nach dem Kloster St. Vitus auf dem Esquilin, von wo er den Presbyter Philipp herausholte. Die erstaunten Römer sahen einen neuen Papst nach dem Lateran führen und hörten die Langobarden rufen: »Philippus Papa, der heilige Petrus hat ihn erwählt.« Dort fand sich auch ein Bischof, welcher Philipp einsegnete; der Neuerwählte ließ sich auf dem Päpstlichen Stuhle nieder, gab dem Volk die Benediktion und hielt der Sitte gemäß die Festtafel, an welcher Würdenträger der Kirche und Optimaten der Miliz bemerkt wurden. Zu seinem Unglück langte indes eben der Primicerius Christophorus, der sich aus unbekannten Gründen versäumt hatte, vor Rom an. Die römische Partei griff sofort zu den Waffen; ihr Führer, der Chartularius Gratiosus, zwang hierauf den Usurpator Philipp, in sein Kloster zurückzukehren.
Am folgenden Tage, dem 1. August, berief Christophorus in seiner Eigenschaft als Stellvertreter des Papsts Klerus und Volk zu einer Versammlung: ihr Lokal war wieder jene Stelle in tribus fatis auf dem alten Forum, welche in den letzten Zeiten des Reichs einige Male durch Volksversammlungen belebt gewesen war. Der Primicerius stellte hier als Kandidaten den Presbyter Stephan auf. Dieser Kardinal, Sohn des Sizilianers Olivus, war einer der wärmsten Anhänger Pauls I. gewesen, welchen er allein nicht verlassen hatte, als er im Sterben lag. Man holte ihn aus seiner Titelkirche St. Caecilia in Trastevere und rief ihn als Stephan III. im Lateran aus.
Die Barbarei, in welche Rom versunken war, offenbarte sich jetzt durch die wildesten Szenen fanatischer Rachlust. Gefangenen Bischöfen und Kardinälen riß man Augen und Zungen aus; der Usurpator Constantin wurde als Spottgestalt durch Rom geführt und ins Kloster Cellanova auf den Aventin gebracht. Eine Synode entsetzte ihn am 6. August, worauf Stephan III. ordiniert wurde.
Gratiosus, der Mörder Totos, nachmals zum Lohn Dux im Heer oder in irgendeiner Stadt, wütete mit dem Kriegsvolk, das er führte, gegen alle Anhänger der gestürzten Partei. Einer derselben, der Tribun Gracilis in Alatri (es gab in den Landstädten Militärtribunen) behauptete sich noch in dieser durch uralte kyklopische Mauern festen Stadt, bis sie erstürmt ward. Die Landbewohner jenes lateinischen Berglandes eilten nach Rom, zogen den Tribun aus dem Kerker und blendeten ihn am Colosseum. Bald darauf drang Gratiosus ins Kloster Cellanova, wo Constantin mit gleicher Wut auf byzantinische Art verstümmelt wurde.
Die Rache der Römer wendete sich jetzt gegen den Langobarden Waldipert, welcher zwar Constantin hatte stürzen helfen, aber Philipp auf den Päpstlichen Stuhl gesetzt hatte. Man sprengte aus, daß er Rom dem Herzog von Spoleto verraten wolle. Waldipert umklammerte vergebens ein Heiligenbild im Pantheon, wo er ein Asyl gesucht hatte; man warf ihn in ein scheußliches Gefängnis und brachte ihn grausam um.
Unter solchen Greueln begann Stephan III. seinen kurzen Pontifikat. Er war Papst geworden im Widerspruch zu den Absichten des Desiderius und im völligen Bruche mit ihm. Demnach wandte er sich sofort den fränkischen Fürsten zu und forderte sie auf, Bischöfe ihres Landes nach Rom zu schicken, wo er ein Konzil versammeln müsse. Sergius selbst, jetzt Secundicerius, brachte das päpstliche Schreiben nach Frankreich, aber er fand Pippin nicht mehr unter den Lebenden. Der berühmte König war am 24. September 768 gestorben, und sein Reich hatten seine zwei Söhne unter sich geteilt. Karl und Karlmann, beide bereits Patrizier der Römer, empfingen die Boten Stephans und sandten hierauf zwölf Bischöfe nach Rom, unter ihnen auch Turpin von Reims.
Am 12. April eröffnete Stephan III. die Lateranische Synode; sie beschäftigte sich mit der Verdammung Constantins, mit der Untersuchung der von ihm vorgenommenen Ordinationen, endlich mit der Feststellung der Regel über die Papstwahl. Der geblendete Constantin wurde in der ersten Sitzung vorgeführt. Man fragte ihn, weshalb er es gewagt habe, als Laie den Stuhl Petri zu besteigen. »Das römische Volk«, so antwortete der Unglückliche, »hat mich gewaltsam erhoben, ob all der Bedrückungen, die es einst vom Papst Paul I. erlitten hatte.« Er breitete seine Hände aus, fiel auf sein Angesicht nieder und flehte um Erbarmen. Man entließ ihn, ohne ein Urteil zu fällen. Am folgenden Tage wurde das Verhör fortgesetzt. Der Angeklagte flüchtete sich geschickt hinter das Beispiel einiger Bischöfe, wie des Sergius von Ravenna und des Stephan von Neapel, welche ebenfalls aus dem Stande der Laien unmittelbar auf den bischöflichen Stuhl gestiegen waren. Diese Wahrheit entflammte die Wut der Richter: die Geistlichen stürzten sich auf Constantin, schlugen ihn nieder und warfen ihn vor die Kirchentüre. Sein Ende ist in Dunkel gehüllt.
Die Synode verbrannte hierauf die Akten des falschen Papsts; sie faßte den Beschluß, niemand solle fortan zum Pontifikat erhoben werden, der nicht von den untersten Graden der Kirche zum Diaconus oder Presbyter-Kardinal aufgestiegen sei. Die Beteiligung der Laien bei der Papstwahl wurde ausgeschlossen und nur auf das Recht der Akklamation beschränkt. Wegen der von Constantin ordinierten Bischöfe ward bestimmt, daß alle, welche vordem Presbyter oder Diakonen gewesen, zu diesen Graden wieder herabsteigen sollten, daß sie aber, wenn sie ihren Gemeinden lieb geworden seien, nach erneuerter Wahl in Rom selbst die Konsekration empfangen könnten. Die Sitzung des Konzils schloß ein Dekret über die Aufrechterhaltung des Bilderkultus. Nachdem die Synodalakten unterzeichnet waren, zog man in Prozession nach dem St. Peter, wo die Beschlüsse verlesen wurden. So hatte Stephan III. die Kirche von der Usurpation gereinigt, aber seine päpstliche Gewalt in Rom nicht befestigt.