Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2. Albornoz unterwirft den Kirchenstaat. Die Vikare. Die Rektoren. Der doppelte Adelssenat abgeschafft 1358. Johann Conti letzter Senator vom Geschlechteradel. Raimund de Tolomeis erster fremder Senator. Der Adel aus der Republik ausgeschlossen. Sieben Reformatoren der Republik 1358. Rückkehr des Albornoz aus Avignon. Der Ordelaffi unterwirft sich. Bologna kommt an die Kirche. Bernabò Visconti beansprucht diese Stadt. Hugo von Cypern Senator 1361. Genossenschaft der Armbrustschützen und Schildträger. Die Banderesi. Krieg mit Velletri. Plebejische Umwälzung unter Lello Pocadota. Innocenz IV. stirbt 1362.

Die Romfahrt Karls IV., welcher die Tyrannen im Kirchenstaat ihrem Schicksal überlassen hatte, war den Unternehmungen des Kardinals Albornoz förderlich gewesen. Er bändigte seine Gegner durch Waffengewalt oder diplomatische Kunst. Die Malatesta, von Rudolf von Varano, welchen der Kardinal gewonnen und zum Bannerträger der Kirche in der Mark Ancona gemacht hatte, hart bedrängt, unterwarfen sich im Juni 1355 und erhielten den Vikariat von Rimini, Fano, Pesaro und Fossombrone auf zehn Jahre gegen Zins. Im Juli huldigten die Grafen von Montefeltre in Urbino, im September 1355 Fermo und ein Jahr später die Manfredi von Faenza. Nur der kühnste der Tyrannen jener Zeit, Francesco Ordelaffi, Herr von Forli, Forlimpopoli, Cesena, Imola und Brettinoro, der geschworene Feind des Klerus, der angebetete Liebling seiner Untertanen, dem sein heldenhaftes Weib Marzia zur Seite stand, trotzte den Waffen des Legaten, des Kreuzzuges spottend, zu welchem dieser ganz Italien wider ihn aufrief. So war mit Ausnahme jener Städte Albornoz im Jahre 1357 Herr des ganzen Kirchenstaats. Die von ihm unterworfenen Tyrannen machte er nicht zu rachsüchtigen Feinden, sondern zu Dienern der Kirche als deren Vikare. Der Titel des Vikars oder Kustos beschönigte freilich nur den Raub von Kirchengütern, denn Dynasten rissen diese an sich und ließen sich dann zu Statthaltern des Papsts ernennen. So ward der Kirchenstaat in hundert Vikariate aufgelöst; doch es gab kein anderes Mittel, die Autorität des Heiligen Stuhles aufrechtzuerhalten. Den Städten, denen Albornoz als Befreier erschien, machte er klar, daß die Herrschaft der Kirche die mildeste aller Regierungen sei. Er schützte ihre bürgerliche Verfassung, aber er legte in ihren Ringmauern Zwingburgen an. Wenn sich eine empörte Stadt unterwarf, so geschah das durch Vertrag. Ihr Syndicus erschien vor dem Kardinal, bekannte, daß sie seit alten Zeiten der Kirche gehöre, daß die Gewalt, welche sie einem Tyrannen übertragen, Usurpation gewesen sei, daß sie fortan nie einen Herrn ohne den Willen des Papsts zum Podestà annehmen werde, zur Aufnahme des Legaten der Kirche bereit sei und um die Wiederherstellung in ihre früheren Rechte ( ad statum pristinum) bitte. Der Syndicus übertrug dem Papst und seinem Legaten zeitweise das volle Dominium der Stadt. Wenn er auf Knien und »mit zerknirschtem Herzen« die Schuld der Kommune bekannt, um Erbarmen gefleht und den Treueid auf die Evangelien beschworen hatte, so empfing er die Absolution und übergab dem Kardinal die Schlüssel der Stadt und die Urkunde des Dominium. Genaue Artikel bestimmten die Verpflichtungen, zumal die Geldsumme, welche die Gemeinden an die Kirche zu zahlen hatten, und je nach den Umständen waren die Bedingungen verschieden. Als Ascoli am 14. Juni 1356 das Dominium an Albornoz übergab, gewährte der Kardinal folgende Zugeständnisse: kein Verbannter darf zurückkehren; alle Rechte der Stadt bleiben erhalten; die Gemeinde wählt sechs Kandidaten, woraus der Legat einen als Podestà bestätigt; keine Steuern dürfen durch den Rector der Kirche ausgeschrieben werden; der Legat baut keine Zwingburg in der Stadt; die Festungen des städtischen Gebiets werden von der Gemeinde bewacht. Die reiche, oft unruhige Stadt Ancona und die Romagna wußten ein größeres Maß von Freiheit zu behaupten als das Herzogtum Spoleto und die römischen Provinzen. Denn hier schaltete Albornoz nach der Unterwerfung des Präfekten mit großer Strenge. Er reformierte die Verfassung der Städte und beschränkte ihre Autonomie; er rief die Verbannten zurück. In Viterbo untersagte er, wie einst Cola di Rienzo, den Gebrauch der Parteinamen von Guelfen und Ghibellinen. Der Rector des Patrimonium St. Peters saß nicht in dem immer trotzigen Viterbo, sondern im festen Montefiascone. Er hatte um sich her eine Kurie von Richtern, Schreibern und Verwaltern. Ein Kriegskapitän befehligte das Heer, welches aus dem Bann der Städte und gemieteten Soldtruppen, meistens deutschen Landsknechten, zusammengesetzt war. Das Patrimonium St. Peters zerfiel in drei Provinzen: das eigentliche Patrimonium in Tuszien, die Terra Arnulphorum, das gebirgige Land zwischen Spoleto und der Nera, und die Grafschaft Sabina. Vikare regierten die beiden letzteren Provinzen. Der Rector des Patrimonium hielt Parlamente oder Landtage, welche Abgeordnete der Kirchen und Klöster, der Barone und der Gemeinden beschickten und wo Gesetze veröffentlicht und beschworen wurden. Dieselbe Einrichtung galt für alle Kirchenprovinzen überhaupt; ihrer jede wurde von einem Rector regiert, dessen Kurie der Thesaurar, der Marschall der Provinz, der Generalrichter für Zivilsachen, der Generalrichter für Kriminalsachen, zwei Steuereintreiber und andere Beamte bildeten. Diese Herren, größtenteils Franzosen und auf ungewisse Zeit ins Amt eingesetzt, waren ebenso viele Blutsauger der Provinzen, welche sie verwalteten.

Auch Rom gehorchte damals, obgleich widerwillig, dem kraftvollen Kardinal. In der zweiten Hälfte des Jahrs 1357 trat jedoch eine Veränderung in der Stadtverfassung ein, welche mit der plötzlichen Abberufung des Legaten im Zusammenhange stand. Zu derselben Zeit, als Italien von den Söldnerbanden durchstreift wurde, sah sich sogar der Papst durch die Kompanie des Erzpriesters von Vernia, Arnold von Cervolles vom Hause Talleyrand, in Avignon selbst bedrängt, weshalb er Albornoz herbeirief. Es bezeichnet die damalige Zeit, daß dieser gefürchtete Kardinal im Sommer 1357 erst den Grafen Konrad von Landau, das Haupt der großen Kompanie, welcher in die Romagna eingerückt war, mit 50 000 Goldgulden für drei Jahre abkaufte, um dann nach Avignon zu eilen, wo im Schloß an der Rhone der Papst vor jenem schrecklichen Erzpriester zitterte. Seine Rückkehr nach Frankreich veranlaßte die Römer, dem Papst nochmals das Dominium zu übertragen, und Innocenz VI. befahl hierauf dem neuen Legaten, dem Abt Ardoin von Cluny, Senatoren in Rom einzusetzen. Indes wurde eine wichtige Neuerung eingeführt: der zwiefache Adelssenat, welcher die Stadt seit mehr als einem Jahrhundert regiert hatte, wurde für immer aufgehoben und schon mit dem Jahre 1358 nur ein einziger Senator eingesetzt. Johann, Sohn des Paul Conti von Valmontone vom Hause Innocenz' III., beschloß die lange Reihe der Senatoren aus dem Geschlechteradel der Colonna, Orsini, Savelli, Annibaldi, Capocci, Conti, Bonaventura, Malabranca, Frangipani, Pandolfi, Tibaldi, Stefani. Hier ist ein Wendepunkt in der Stadtgeschichte, der Übergang aus dem Mittelalter in die neueren Formen.

Der Leser dieser Bücher weiß, daß die Macht der römischen Geschlechter das Papsttum wie das Kaisertum zu ihrer Voraussetzung gehabt hatte. Mächtige Nepotenhäuser waren von den Päpsten gestiftet worden. Römische Große hatten bis zur Epoche Avignons die Prälatur und das Kardinalskollegium erfüllt. Der lange Kampf der deutschen Kaiser mit den Päpsten und der Gegensatz zwischen Guelfen und Ghibellinen hatten dem Stadtadel Bedeutung verliehen. Alle diese Bedingungen waren mit der Entfernung der Päpste und dem Verfalle des Kaisertums hingeschwunden, und zum letztenmal war der Stadtadel bei den Romzügen Heinrichs VII. und Ludwigs des Bayern als eine Macht hervorgetreten. Darauf hatte die Umwälzung unter Cola ihn gebrochen. Die französischen Päpste brachten in Rom die alte Fabel von der Drachensaat des Kadmus zur Ausführung; sie ließen es geschehen, daß der römische Adel sowohl sich selbst zerstörte als durch die Demokratie zerstört ward. Das kraftvolle Regiment des Albornoz war nicht minder von Einfluß auf diesen Untergang der Erbgeschlechter. Als nun der große Tyrannenbändiger im Herbst 1357 nach Avignon gegangen war, bestimmte sein Urteil Innocenz VI. dazu, fortan nur einen einzelnen und zwar fremden Senator in Rom einzusetzen. Der Nachfolger des Johann Conti wurde demnach im Herbst 1358 ein Ritter von Siena, Raimund de Tolomeis. Mit ihm beginnt die lange Reihe der fremden Senatoren Roms. Der Papst nahm sie fortan aus italienischen Städten, nach dem Beispiel der Podestaten des XIII. Jahrhunderts, und zwar für sechs Monate, mit einem Gehalt von anfangs 2500, dann von nur 1800 und 1500 Floren für ihre Amtsdauer. Sie brachten ihre Kurie, sechs Richter, fünf Notare, zwei Marschälle, ihre ritterlichen Familiaren, zwanzig gewappnete Reiter und ebensoviel Berverii oder Kriegsknechte mit sich; sie beschworen vor ihrem Amtsantritt die Statuten der Stadt und unterlagen bei ihrem Abgange dem Syndikat völlig nach den republikanischen Formen aus der Zeit Brancaleones.

Das römische Volk hatte diese Neuerung längst und oft vom Papste begehrt und war ihrer jetzt froh. Aber es setzte neben dem päpstlichen Senator einen demokratischen Stadtrat mit solcher Machtvollkommenheit, daß er bald alleinherrschend werden mußte. Schon früher waren Dreizehnmänner neben den Senatoren mit politischer und administrativer Gewalt bekleidet gewesen; an ihrer Stelle wurde nun im Jahre 1358 eine Obrigkeit von Septemvirn eingeführt, welche den politischen Zustand Roms völlig änderte, dem Volke die Herrschaft gab und den Geschlechteradel gänzlich aus dem Staat verdrängte. Sieben vom Volk erwählte »Reformatoren der Republik« wurden die Wächter und Räte des Senators, die Oberaufseher der Verwaltung, die wahren Häupter der Stadtgemeinde. Als ihr Muster hatten die Prioren in Florenz gedient. Wie diese wechselten auch sie alle drei Monate im Amt, wofür sie aus der Wahlurne herausgelost wurden. Nur wenige Namen von solchen altadeligen Geschlechtern, welche sich dem Volk angeschlossen hatten, finden sich unter den »Reformatoren«; denn an Stelle der berühmten Familien erfüllten jetzt die Fasten des Kapitols die Namen alter Popolanen oder des kleinen Adels, und selbst geringere Familien wurden durch die Magistratur ihrer Mitglieder mit der Zeit angesehen und bildeten neue Geschlechter.

Diese wichtige Neuerung war während der Abwesenheit des großen Kardinals gemacht worden. Als er nun im Anfange des Dezember 1358 nach der Romagna zurückkam, fand er alles, was er errungen hatte, durch die Untüchtigkeit seines Nachfolgers Ardoin in Frage gestellt, während der Krieg mit Ordelaffi ihn so ganz beschäftigte, daß er sich nicht um Rom bemühen konnte. Der hochgesinnte Tyrann Forlis ergab sich endlich am 4. Juli 1359 ohne Bedingung dem großmütigen Kardinal in Faenza und ward auf zehn Jahre zum Vikar von Forlimpopoli und Castrocaro ernannt. Auch Bologna, wo sich Johann von Oleggio, daselbst Statthalter seines Verwandten Bernabò, seit 1355 mit List zum Tyrannen gemacht hatte, kam schon im März 1360 durch Vertrag in die Gewalt der Kirche. Weil aber Bernabò Visconti seine Ansprüche auf den Vikariat dieser Stadt geltend machte, so wurde Albornoz sofort mit ihm in den heftigsten Krieg verwickelt.

Das ghibellinische Geschlecht Visconti, dessen Glück Matteo zur Zeit Heinrichs VII. begründet hatte, war schnell emporgekommen. Seine Geschichte ist erfüllt mit Verbrechen schrecklicher Natur, aber auch mit Taten von hoher Kraft, Klugheit und Regententugend. Das Wappen der Visconti war die Viper, ihr passendes Symbol. Die Söhne Matteos, Galeazzo, Luchino, der Erzbischof Johann und Stefan, hatten die Macht des Hauses stark vermehrt. Nach des Erzbischofs Tode im Jahre 1354 waren Matteos Enkel zur Herrschaft gelangt und unter ihnen jetzt Bernabò, der Sohn Stefans, das Haupt. Der Reichtum der Tyrannen Mailands übertraf den aller Fürsten in Europa; selbst der König Frankreichs verschmähte es nicht, einem Neffen Bernabòs, Gian Galeazzo, seine Tochter Isabella zu vermählen. Mit diesem Bernabò nun, einem der grausamsten Gewaltherren des Mittelalters, hatte Albornoz den gefährlichsten aller seiner Kriege zu führen, und dies hielt ihn fortdauernd von Rom fern. Hier hatte er in der ersten Hälfte des Jahres 1359 den Ritter Lodovico de Rocca von Pisa, in der zweiten Hälfte Ungarus von Sassoferrato, im Jahr 1360 einen ausgezeichneten Mann, Thomas von Spoleto, als Senatoren eingesetzt. Er und der Papst sahen voll Argwohn auf die demokratischen Septemvirn, welche das römische Volk mit Entschiedenheit aufrecht hielt. Der Kardinal bestätigte sie durch Vertrag. Während demnach der Senat in die Gewalt des Papstes fiel, flüchtete sich die Autonomie des Volks in jene Behörde der sieben Reformatoren; denn das alte Wahlrecht des Senats hatten die Römer aufgeben müssen und nur dies vom Papst erlangt, daß sie fortan sechs Kandidaten bezeichnen durften, von denen er einen als Senator erwählte. So wurde Rom zu dem Range anderer Städte herabgebracht, welchen unter derselben Form die Podestaten vom Papst gesetzt zu werden pflegten.

Ein namhafter Prinz bekleidete den Senat in Rom vom März bis zum Oktober 1361, Hugo von Lusignan, Enkel des Königs von Cypern. Er war nach Avignon gekommen, um seine Rechte als Kronprätendent wider seinen Oheim Peter geltend zu machen und den Türkenkrieg zu betreiben. Ehe er zu diesem abging, schickte ihn der Papst als Senator nach Rom, wahrscheinlich in der Absicht, durch sein Ansehen die Stadt zu bändigen, wo die Sieben gewaltsam regierten, Corneto und Civitavecchia mit Krieg überzogen und, wie es hieß, mit Bernabò Visconti im Einvernehmen standen, während das durch harte Kriegssteuern gedrückte Volk im Patrimonium sich zu empören drohte. Der Prinz von Lusignan fand indes in Rom keine Gelegenheit für sein kriegerisches Talent, sondern überließ machtlos die Verwaltung der Stadt den Reformatoren.

Wo blieben in dieser Zeit jene einst so ehrgeizigen und gewaltigen Colonna, Orsini, Savelli und Annibaldi? Sie schienen verschollen, ihr Name wird nicht gehört. Die großen Geschlechter waren jetzt in der Tat von den Ämtern der Republik ausgeschlossen, wie es Petrarca geraten hatte. Das Volk setzte sie wieder zum Range der Landbarone herab und nahm ihnen auch die Führerschaft im Heer. Denn gerade damals bildete sich nach dem Muster von Florenz eine neue, durchaus demokratische Miliz in Rom; dies waren die Bogenschützen. Die eisenbeschlagene Armbrust galt noch in der Mitte des XIV. Jahrhunderts, wo das Schießpulver den Kriegsgebrauch bereits zu verändern begann, als die furchtbarste Waffe. Die Balester blieben das Hauptgewehr der Soldbanden, der Deutschen, Schweizer und Ungarn, denn die Flinten, deren praktischer Gebrauch in kürzester Zeit Italien von diesen Schwärmen würde gereinigt haben, waren noch nicht eingeführt worden. Im Jahre 1356 hatten die Florentiner eine Miliz von 800 Armbrustschützen errichtet und einige andere Tausend im Stadtgebiet ausgehoben. Diese Schützenkunst wurde von Staats wegen gepflegt; in Florenz wie in den Landgemeinden übte man sich im Schießen an jedem Festtage, und Prämien wurden dafür ausgesetzt. Wäre der kriegerische Bürgersinn nicht schon verfallen gewesen, so hätte diese Einrichtung sehr heilsam werden können, denn die Befreiung Italiens von den Banden konnte nur durch eine allgemeine Volksbewaffnung und die Reform der Nationalmiliz erreicht werden. Die florentinische Schützengilde wurde in vielen Städten nachgeahmt. Nach dem Jahre 1356 errichteten auch die Römer die »glückliche Genossenschaft der Armbrustschützen und Schildträger« ( felix societas balestrariorum et pavesatorum), als erinnerten sie sich des felix exercitus in früheren Jahrhunderten. Diese Wagenbrüderschaft war nach den Regionen geordnet und bildete eine Körperschaft mit politischen Rechten. Vier Vorsteher ( antepositi) machten ihren obersten Rat aus, wohl nach dem Vorbilde der großen Kompanie. Ihre Häupter waren die zwei Bannerführer ( banderenses), auf deren Wink die Schützen in allen Regionen bereit sein mußten. Diese Banderesi aber erlangten schnell eine fast tyrannische Gewalt. Sie waren hauptsächlich deshalb eingeführt worden, um das Regiment der Reformatoren durch Militärgewalt zu verstärken und den Adel zu vernichten. Denn während die Sieben die höchste Regierungsbehörde bildeten, wurden die Banderesi die Exekutoren der Justiz. Man hatte sie den Gonfalonieri delle Companie in Florenz nachgeahmt. Ihr Amt war eine Zeitlang höchst förderlich zur Befestigung der Demokratie, und ihre strenge Justiz gab Sicherheit in Stadt und Land. Sie zogen oft in die Campagna, zu richten und zu strafen. Bello Gaëtani, der Oheim des Grafen von Fundi, wurde von ihnen als Räuber aufgeknüpft. In ihrer Eigenschaft als Führer der Schützen, sodann als Vollstrecker der Justiz saßen diese gefürchteten Tyrannen bewaffneter Gerechtigkeit mit ihren vier Schützenräten neben den Reformatoren im höchsten Regierungsrat, dem consilium speciale, wie in Florenz die Bannerträger der Kompanien als Kollegen neben den Signoren der Republik ihren Sitz hatten. Ihr Name, welcher von den Bannern, die sie führten, abgeleitet ward, ging übrigens auf die ganze Obrigkeit der Schützengilde über und wurde in der Zeit ihrer größten Macht sogar auf die gesamte Signorie im Kapitol ausgedehnt.

Nachdem Hugo von Cypern Rom verlassen hatte, waren der Graf Paulus de Argento von Spoleto im Herbst 1361, und im Jahre 1362 Lazzarus de Cancellariis von Pistoja Senatoren geworden. Während der Regierung des letzteren führten die Römer Krieg mit Velletri. Sie unterwarfen diese empörte Stadt im Mai 1362, rissen einen Teil ihrer Mauern nieder und brachten ihre Tore als Trophäen nach Rom. Aber der Krieg entbrannte aufs neue und dauerte jahrelang fort. Indem nun der Landadel aus Rachlust wider die Römer Partei ergriff, hatte dies innere Umwälzungen zur Folge. Die Ausschließung der Aristokratie aus der Republik machte die Demokratie zügellos. Im Sommer 1362 vertrieb das Volk die noch in Rom wohnenden Edlen, selbst die Cavalerotti, und ein verwegener Schuhmacher Lello Pocadota warf sich zum Demagogen auf. Der Adel zog jetzt die italienische Kompanie vom Hut in seinen Dienst, während die Reformatoren deutsche und ungarische Söldner warben, 600 städtische Reiter aushoben und eine Musterung in Rom hielten, welche die nicht kleine Zahl von 22 000 Mann Fußvolk ergab. Gleichwohl war die Unsicherheit so groß, daß sich das Volk der Kirche wieder unterwarf. Es bot dem Papst das Dominium, doch unter der Bedingung, daß Albornoz keine Jurisdiktion in der Stadt ausüben dürfe. Der Kardinal war hier mehr gefürchtet als der Papst. Er hatte den Geschlechteradel zerstören lassen, aber er trat mit Strenge wider die Ausartung der Demokratie auf. Er duldete es so wenig, daß Barone sich zu Gebietern in Städten aufwarfen, als daß die Sieben darin Podestaten einsetzten; er wollte gleichmäßige Konstitutionen einführen, denen sich auch Rom unterwerfen sollte so gut wie Viterbo, Ancona oder Orvieto. Doch erst mit dem neuen Papst kam ein Vertrag zustande.

Innocenz VI. starb am 12. September 1362. Er war der beste unter den Päpsten Avignons gewesen, ein ernster Mann, für das Wohl der Kirche und ihrer Völker bemüht, wenn auch nicht von Nepotismus frei. Während seiner Regierung war es ihm durch das Genie des Albornoz geglückt, den Kirchenstaat unter den schwierigsten Verhältnissen wieder zu unterwerfen. Diese langen Kriege hatten freilich unermeßliche Geldsummen verschlungen, und was durch so große Anstrengungen erworben war, konnte über Nacht wieder verlorengehen. Indes als Innocenz VI. sich zum Sterben legte, sah er alle Provinzen der Kirche sich untertan. Nur noch ein furchtbarer Feind, Bernabò Visconti, welcher Bologna mit den Waffen in der Hand beanspruchte, blieb in Italien unbesiegt, während alle übrigen Tyrannen sich der Kirche gebeugt hatten. Die Malatesta, die Este, die Ordelaffi, die Manfredi standen jetzt als Vasallen meist in ihrem Dienst, und auch Rom, von den Adelstyrannen glücklich befreit, anerkannte die Signorie des Papsts. Innocenz hatte noch ein Jahr vor seinem Tode die ernstliche Absicht gehabt, die Stadt zu besuchen, wozu ihm der Kaiser seine persönliche Begleitung bot; doch Alter und Kränklichkeit verhinderten die Ausführung dieses Plans.


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