Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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5. Rückkehr des Papsts nach Rom. Sturz Wolseys. Krieg um Florenz. Schlacht bei Gavinana 3. August 1530. Tod Oraniens und Ferruccis. Untergang der Freiheit von Florenz. Tiberüberschwemmung Oktober 1530. Alessandro Medici Regent, dann Herzog von Florenz. Zweiter Kongreß in Bologna Dezember 1532. Neue italienische Liga. Clemens weicht dem Konzil aus. Kongreß in Marseille. Vermählung Katharina Medicis mit Heinrich von Orléans. Rückkehr des Papsts nach Rom Dezember 1533. Er erkrankt. Sein Abschiedsbrief an Karl V. Sein Tod 25. September 1534. Schluß der Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter.

Clemens hatte voll Mißmut Bologna am 31. März 1530 verlassen und war am 9. April nach Rom zurückgekehrt. Nachdem er in kurzer Zeit den erstaunlichsten Wechsel des Glücks erfahren hatte, fand er sich auf den Trümmern der Stadt als Herr des Kirchenstaats wieder, aber diese Wiederherstellung durch die Gnade des Kaisers milderte nur schwach die Pein des Bewußtseins, daß die große Zeit des weltgebietenden Papsttums für immer abgelaufen sei und daß sich dieses aus den Fesseln der herrschenden Macht in Europa nicht mehr befreien könne. Die Reformation war siegreich in Deutschland wie in der Schweiz, und der Ehescheidungsprozeß Heinrichs VIII. drohte auch England von dem Papsttum loszureißen. Schon im Juli 1529 hatte der Papst diesen Prozeß vor das römische Tribunal gezogen, was der Kaiser verlangt hatte. Am 30. November desselben Jahres war Wolsey bald nach seinem Sturz gestorben. Der mächtige Kardinal ging unter, weil er die Ehescheidung des Königs nicht durchzusetzen vermochte, und so fiel mit ihm sein politisches Programm, dessen Prinzip der Bund zwischen dem Papst, England und Frankreich wider Karl V. gewesen war.

Statt die Ruhepause, die er sich durch den Frieden mit dem Kaiser erkauft hatte, zur Erfüllung seiner höchsten Pflicht als Oberhaupt der Kirche zu benützen, indem er versuchte, den in ihr ausgebrochenen Brand zu stillen, bemühte sich Clemens VII. nur, dieser Pflicht auszuweichen und das Reformkonzil zu verhindern, welches der Kaiser fortdauernd begehrte. Seine wichtigste Angelegenheit war die Unterwerfung seiner Vaterstadt, und sie vollzog er mit einer kaltblütigen Grausamkeit, die wahrhaft erschreckend ist.

Der Todeskampf der Republik wirft einen dunkleren Schatten auf das undankbare Papsttum und ganz besonders auf Clemens VII., als es selbst der Fall Roms getan hat. Die Friedensschlüsse zu Cambrai und Bologna hatten jene Republik auf ihre eigene schwache Kraft angewiesen. Wie eine Ketzerin vom Papst verurteilt, wurde sie dem weltlichen Arm des Kaisers überantwortet, welcher die erste Probe der Aufrichtigkeit seines Bündnisses dadurch ablegte, daß er sich zum Henker im Dienste des Papsts hergab. Florenz kämpfte wider beide mit Heldenmut als die letzte Vertreterin der Nationalfreiheit Italiens, und ihr Fall besiegelte auch den politischen Untergang dieses Landes überhaupt.

Nach dem Sturze des Gonfaloniere Capponi und nach seinem Tode am 18. Oktober 1529 gab es dort kein Staatsoberhaupt mehr von Einsicht und Kraft. Die Talente der Strozzi, Soderini, Carducci, Alemanni und Vettori reichten nicht hin, die Parteien zu versöhnen, die Umtriebe der Medici zu bewältigen und den Staat zu retten. Im Heer der Republik von sehr wenigen kriegsungewohnten Bürgern und von meist unzuverlässigen Söldnern glänzte nur ein Florentiner von altem Patriotismus, Francesco Ferrucci. Die meisten Kapitäne waren Fremde, mehrere Römer unter ihnen wie Mario und Giampolo Orsini, der Sohn Renzos von Ceri, Giulio Santa Croce, Stefano Colonna und eine Zeitlang selbst der Abt von Farfa, bis er, vom Papst gewonnen, nach Bracciano zurückkehrte. Oberster Feldhauptmann war jener Malatesta Baglione, welchem die Florentiner trauten, weil doch Leo X. seinen eigenen Vater hatte hinrichten lassen. Er wurde bald zum Verräter; denn schon durch den Vertrag in Perugia befand er sich in der Gewalt des Papsts.

Seit dem 24. Oktober 1529 begann Oranien S. Miniato zu beschießen, dessen Verschanzungen Michelangelo kunstvoll angelegt hatte. Die Belagerungsarmee verstärkten infolge des Friedens mit Venedig mehrere tausend Spanier, Italiener und Deutsche unter Felix von Werdenberg, was das Schicksal der Stadt entscheiden mußte. In ihrer Not hatte sie Christus zu ihrem Bannerträger ernannt; denn eine religiöse Begeisterung kehrte dort flüchtig wieder. Fra Benedetto da Fojano entflammte das Volk mit Reden wie einst Savonarola. Die Republik verteidigte sich verzweifelt monatelang. Alle die Villen, welche wie ein Kranz blühenden Lebens die schöne Stadt umgaben, hatten die Florentiner wüste gelegt, und sie verschmerzten den Untergang vieler entfernter Orte, die der Feind verbrannte und der Papst kaltblütig verderben sah. Die Ausdauer der Stadt Florenz und die Langsamkeit Philiberts machten Clemens verzweifeln; sie erfüllten ihn mit Argwohn gegen den Kaiser, gegen Frankreich und Venedig, während der kostspielige Krieg ihn dem Hasse der Welt aussetzte. Mit Mühe trieben Pucci, Salviati und andere Geld für ihn auf. Clemens befand sich in der Lage Leos X. bei dessen Kriege wider Urbino. Auch er dachte daran, sich durch eine Massenernennung von Kardinälen Mittel zu verschaffen. Grammont, der französische Botschafter in Rom, hielt ihn davon zurück und ermahnte ihn im Namen der Menschlichkeit, seine Vaterstadt zu schonen. Der erbärmliche Papst seufzte: »Daß es doch nie ein Florenz gegeben hätte!« Er gab jenem Staatsmann am 8. Juni 1530 den Kardinalshut, nachdem er schon früher dieselbe Würde dem Kanzler Du Prat erteilt hatte, um sich dessen und des Königs Franz Wohlwollen zu gewinnen.

Spanier, deutsche Landsknechte, kalabrische Banden unter Maramoldo, anderes vom Papst ausgerüstetes Gesindel aus der Romagna unter Ramazotto bedeckten das Florentiner Gebiet und umzingelten die Stadt, wo Pest und Hunger wüteten. Den Fall Volterras, welches sich Alessandro Vitelli ergab, rächte zwar Ferruccio durch strenge Bestrafung dieses von ihm wiedereroberten Ortes, den er dann tapfer verteidigte; aber das wichtige Empoli ging darüber verloren, und Malatesta hinderte heimlich die Maßregeln zur Befreiung der Stadt. Am 3. August fiel Ferruccio beim Versuch, Florenz zu entsetzen, in der Schlacht bei Gavinana, wo auch der Prinz von Oranien durch einen Büchsenschuß getötet ward. Wie Bourbon vor dem bestürmten Rom, wie Moncada im Angesicht des belagerten Neapel, so fällte dasselbe rächende Verhängnis auch Orange vor dem belagerten Florenz; ja auch Girolamo hatte schon am 15. Dezember 1529 zu S. Cassiano bei Florenz durch Krankheit seinen Tod gefunden. Philibert war noch nicht dreißig Jahre alt, ein schöner Mann, blond, mit blauen Augen, kühn und nach großen Dingen trachtend. Man sagt, daß er hoffte, Herzog in Florenz zu werden und die Hand der viel umworbenen Katharina Medici zu gewinnen, welche damals noch ein Kind war und während der ganzen Belagerung der Stadt von den Florentinern als Geisel bewahrt wurde. Die Leiche des berühmten Prinzen wurde vom Schlachtfeld – es war das Catilinas am Fuß der Apenninen – über einem schlechten Maultier nackt herabhängend, nach Pistoja geführt, ganz so wie einst der tote Cesare Borgia vom Felde Vianas fortgeschafft worden war.

Das von Hunger und Pest gequälte, von Parteien zerrüttete, vom Verrat Malatestas umgarnte Florenz war nun zum Vertrag genötigt. Dieser wurde mit dem Nachfolger Philiberts im Oberbefehl, Don Ferrante Gonzaga, und mit dem päpstlichen Commissarius Bartolomeo Valori am 12. August 1530 abgeschlossen. Die Stadt verpflichtete sich, den Abzug der Kaiserlichen mit 80 000 Goldgulden zu erkaufen, dem Kaiser aber die Feststellung ihrer neuen Regierungsform binnen vier Monaten zu überlassen. Trotzdem erhob alsbald die mediceische Partei eine Regierung von Zwölfmännern, die gegen ihre Gegner mit Gütereinziehung und Tod zu wüten begann. Die Belagerung hatte die blühende Stadt, welche damals 70 000 Einwohner zählte, arm gemacht, und außer 22 000 Kriegern waren durch Hunger und Pest viele Tausende von Bürgern umgekommen. Dies war das Ende der erlauchten Republik, welche jahrhundertelang den italienischen Volksgeist in einem ewig wechselnden aber lebensvollen Staatswesen und in den edelsten Schöpfungen dargestellt hatte. Florenz fiel nur drei Jahre nach Rom und durch dieselben Kriegsbanden des Kaisers, der Italien in Ketten schlug. Wenn der gräßliche Fall Roms im Jahre 1527 schaudern macht, so hat er doch etwas von der Genugtuung eines verdienten Strafgerichts. Aber nicht so schuldig erscheint die Stadt Florenz, wenn auch zum Ende reif. In ihrer heroischen Todesstunde schmückt sie sich, als die letzte Vertreterin der Unabhängigkeit Italiens, mit dem Lorbeer Dantes, mit allen edlen Namen und Tugenden ihrer Vergangenheit. Den Dolch stößt ihr in das Herz der Papst Clemens VII., der feige Bastard vom entarteten Haus der Medici. Mit Florenz erlosch, wie die Freiheit Italiens, so die glänzende Epoche der italienischen Kultur. Seither konnte Spanien ruhiger dies geknechtete Land beherrschen.

Am 28. Oktober gab der Kaiser durch Erlaß aus Augsburg den Florentinern in Gnaden Amnestie; ihre Regenten sollten für ewige Zeiten die Medici und ihr erwähltes Haupt sein künftiger Schwiegersohn Alessandro werden. So erhob sich dies Bastardgeschlecht auf den Trümmern von Florenz durch den Willen Karls V., und der sehnlichste Wunsch Clemens' VII. war erreicht.

Wie in den Zeiten Justinians folgten in Italien auf Kriege und Pest auch die Geißelschläge verheerender Elemente. Rom erlitt am 7. Oktober 1530 eine der größten Tiberüberschwemmungen, so daß gegen sechshundert Häuser eingerissen und Brücken, selbst der Ponte Sisto, zerstört wurden. Der Papst, eben von Ostia zurückgekehrt, konnte nicht mehr zum Vatikan gelangen, sondern mußte in den Palast Ridolfis auf den Quirinal flüchten, wo er zwei Tage blieb. Der Verlust an Gütern war sehr groß, und außerdem erzeugte die Ausdünstung des Wassers nochmals die Pest. »Doch der Papst ließ weinen, wer weinen wollte, und setzte unbelehrt und unbekümmert seine politischen Pläne zur Vergrößerung seines Hauses fort.«

In die Ketten Spaniens geschlagen, an denen er bisweilen mit gewohnter List und Schwäche rüttelte, ein Kleinfürst in Italien durch die Gnade des Kaisers, wie einst Herodes durch die des Augustus, stumpf und kraftlos für alles Große, schrumpfte der furchtsam Geist Clemens' VII. in seinen letzten Jahren ganz zur Nichtigkeit zusammen, und in Wahrheit blieb die wichtigste Angelegenheit für ihn die Vergrößerung des Hauses Medici. Er fürchtete Spanien und Karl V., welchem er die in Rom erduldete Schmach begreiflicherweise nicht verzeihen konnte, und er suchte dessen Macht durch die Stärkung Frankreichs zu schwächen, welches seine eigene Niederlage ebensowenig verschmerzen konnte. Aber er hütete sich wohl, den Kaiser herauszufordern, in dessen Hand das Schicksal der Medici lag. Bereitwillig anerkannte er die Erhebung Ferdinands von Ungarn und Österreich zum deutschen und römischen Könige, nachdem dieser Bruder des Kaisers trotz des Widerspruchs der Protestanten am 5. Januar 1531 zu Köln erwählt und am 11. Januar zu Aachen gekrönt worden war. Im Sommer desselben Jahres gab der Kaiser den Bitten Clemens' VII. nach, indem er Alessandro Medici zum Regenten von Florenz einsetzen ließ, durch seinen Botschafter Muscettola und Nikolaus Schomberg, den Abgesandten des Papsts. Am 5. Juli zog der Bastard in die unglückliche Stadt ein. Mit diesem Gnadenakt milderte Karl den Zorn des Papsts über das im April gefällte Endurteil, wodurch dem Herzog von Ferrara der Besitz von Reggio, Modena und Rubiera in des Reiches Namen zuerkannt worden war. Die langen und unheilvollen Bemühungen der Päpste, durch Trug und Gewalt sich jener Lande zu bemächtigen, waren demnach gescheitert; trotzdem hörte Clemens nicht auf, selbst mitten im Frieden arglistige Anschläge wider Ferrara zu machen.

Am 27. April 1532 wurde die republikanische Verfassung in Florenz aufgehoben und Alessandro Medici zum Herzog ernannt. Seinen andern Nepoten Hippolyt schickte der Papst im Juli 1532 als Legaten nach Ungarn, wo der Kaiser endlich den Feldzug gegen die Türken unternahm, nachdem er Deutschland durch den Nürnberger Religionsfrieden vom 23. Juli beruhigt hatte. Zu diesem auf dem Regensburger Reichstag genehmigten Kreuzzug war Antonio Leyva mit achttausend Spaniern und auch päpstliches Kriegsvolk aus Italien aufgebrochen.

Da sich Soliman, ohne den Entscheidungskampf zu wagen, nach der Türkei zurückzog, die deutsche Reichsarmee aber sich weigerte, den Krieg in Ungarn fortzusetzen, kehrte Karl nach Spanien zurück, den Weg über Italien nehmend, wo er mit dem Papst eine zweite Zusammenkunft in Bologna halten wollte. Der Zweck dieses Kongresses war die Sicherstellung Italiens gegen die ruhelosen Pläne Franz' I., die Beilegung des Ehestreits zwischen Heinrich VIII. und Caterina und die endliche Berufung eines Konzils zur Wiedervereinigung der Protestanten mit der Kirche. Clemens gehorchte nur mit Widerstreben dem Winke des allmächtigen Kaisers; mitten im Winter, am 8. Dezember 1532, traf er, von Perugia herkommend, in Bologna ein, wo er bald darauf Karl empfing. Ihre gegenseitige Mißstimmung war groß. Der Kaiser kannte die päpstliche Politik zu wohl, um nicht zu wissen, daß Clemens und die ehemals der Liga angehörenden Staaten Italiens sich gegen ihn mit Frankreich verbinden würden, wenn die Gelegenheit dazu günstig war. Er setzte daher zu Bologna, unter dem Vorwand der drohenden Türkengefahr, eine italienische Liga durch, worin sich der Papst, der Kaiser, Sforza, Alfonso, Florenz, Genua, Siena und Lucca zu einem sechsjährigen Bündnis verpflichteten, dessen wesentlicher Zweck die Sicherung Mailands gegen die Absichten Frankreichs war. Nur die Republik Venedig weigerte ihren Beitritt.

Mehr als alles fürchtete Clemens das Konzil. Dieses forderte seit dem ersten Kongreß in Bologna der Kaiser, denn ihm mußte alles daran liegen, das Schisma in Deutschland zu beseitigen, weil es seine Macht schwächte, Frankreich aber stärkte, und schon hatten sich protestantische Fürsten infolge des Schmalkalder Bundes und von der Not gedrängt, zu dem verhängnisvollen Schritt entschlossen, bei dem Erbfeinde des Reiches Schutz zu suchen. Franz I. mußte schon deshalb die Berufung eines Konzils hintertreiben, damit der Zwiespalt im Reiche fortdaure, und Clemens VII. war so sehr Diplomat, daß es für ihn Augenblicke gab, wo er die Bedrängnis des Kaisers durch Türken und Protestanten als für sich selbst gewinnreich erkannte. Auf einem Konzil konnten noch andere Dinge als die lutherischen Händel zur Sprache kommen, wenn auch kaum noch der Flecken seiner Geburt, so doch sein Nepotismus, der Ruin Roms und die grausame Unterwerfung von Florenz. Die merkwürdigen Briefe des Kardinals und Bischofs von Osma, Garcia de Loaysa, Beichtvaters des Kaisers und seines Vertreters in Rom seit dem Mai 1530, an Karl lehren sonnenklar, wie groß die Furcht des Papsts vor dem Konzile war, und mit welchen Künsten er diesem auswich, »der geheimnisvollste Mensch, und so voll Chiffern, wie kein anderer auf der Welt«. Er war wohl zufrieden gewesen, daß der französische Botschafter Grammont in Rom den Bemühungen des kaiserlichen Ministers May und Loaysas um das Konzil entgegenwirkte, und wenn er noch am 10. Januar 1533 aus Bologna, wo die Räte des Kaisers Granvella, May und Covos mit einer Kongregation von Kardinälen sich berieten, an die deutschen Kurfürsten schrieb, daß es sein eifrigster Wunsch sei, sobald als möglich die Kirchenversammlung zu vereinigen, so waren dies nur Worte und nichts mehr. Die Bedingungen, welche er für das Konzil aufstellte, konnten von den Protestanten niemals angenommen werden.

Immer argwöhnisch gegen den Kaiser, der ihm nur tropfenweise die Größe der Medici zumaß und noch zauderte, seine kleine Tochter Margareta nach Italien zu senden, ergriff Clemens endlich die ihm dargebotene Familienverbindung mit Frankreich. Die Figur für diese Schachzüge seiner Hauspolitik war die junge Duchessina Katharina Medici. Nach dem Falle von Florenz hatte sie der Papst nach Rom bringen lassen. Der Kaiser wünschte sie, dem Rate Granvellas gemäß, mit Francesco Sforza zu vermählen, um so den Papst für immer von Frankreich abzuziehen. Franz I. aber hatte mit dem König von England schon einen Vertrag in Calais gemacht, um zu verhindern, daß sich der Papst ganz in die Arme des Kaisers werfe. Aus Begier nach Mailand ließ er sich so weit herab, die Hand jener Tochter des Lorenzo Medici für seinen zweiten Sohn Heinrich von Orléans zu begehren. Der Papst ging nur furchtsam auf diese Anträge ein, welche ihm Grammont und der Herzog von Albany im April 1531 gemacht hatten. Er unterhandelte mit Frankreich, indem er zugleich mit dem kaiserlichen Botschafter wegen der Verbindung seiner Nichte mit Sforza sich besprach. Er überraschte endlich den Kaiser, der an die ernstliche Absicht Franz' I. auf jene Heirat nicht glaubte, durch die Zustimmung des Königs, welche die Kardinäle Tournon und Grammont dem Papst in Bologna einzuhändigen eilig waren. Nun konnte Karl die Heirat nicht mehr hindern. Nachdem er dem Papst das Versprechen abgenommen, gegen den Ehebruch Heinrichs VIII. durch Zensuren einzuschreiten, verließ er Bologna am 25. Februar 1533, einen Tag nach dem Abschluß des italienischen Bundes, um sich über Genua nach Spanien zu begeben. Alessandro Medici begleitete ihn. Wenige Tage nachher kehrte auch Clemens nach Rom zurück.

Der französische Hof war über die neue Liga mißgestimmt, aber der Papst stellte ihm vor, daß gerade sie dem Könige zum Vorteil gereiche, da ihre Folge die Auflösung des spanischen Heeres in der Lombardei sein werde, und er gab zu verstehen, daß zwischen seinen Verpflichtungen gegen den Kaiser und ihrer Erfüllung noch vielerlei sich ereignen könne. Sein Ehrgeiz schwelgte in dem Gedanken, für seine Nichte einen Gemahl aus dem Hause Valois erworben zu haben, und er schätzte dieses Glück höher als die Vermählung des Nepoten mit einer Bastardtochter des Kaisers, obwohl ihn auch dies nicht wenig beglückte, daß Karl ihm zugesagt hatte, die erst neunjährige Prinzessin alsbald nach Italien kommen zu lassen und sie mit Alessandro zur geeigneten Zeit zu vermählen. Er dachte daran, seiner Nichte Reggio, Modena, Rubiera, Pisa, Livorno, mit Parma und Piacenza als Heiratsgut zu geben.

Schon im November 1531 hatte er dem Könige Franz eine Zusammenkunft zugesagt, wovon ihn der argwöhnische Karl nicht hatte abbringen können. Der Kongreß in Nizza sollte auf den zu Bologna folgen, um, wie Clemens es vorstellte, der Welt zu zeigen, daß es ihm nur um den Frieden mit allen Mächten zu tun sei; denn nur des Türkenkriegs, der Schlichtung des englischen Ehestreits und allgemeiner Angelegenheiten wegen solle die Zusammenkunft stattfinden. Der Kaiser ließ sich nicht täuschen: er wußte, daß es sich geradezu darum handelte, Genua und Mailand, ja noch andere Länder durch die französische Heirat Katharinas wieder an die Krone Frankreichs zu bringen.

Clemens brach am 9. September 1533 mit zehn Kardinälen und vielen Prälaten von Rom auf. Durch Umbrien und Toskana ziehend, ohne Florenz zu berühren, gelangte er nach Porto Pisano, wo er sich am 4. Oktober auf der Flotte Albanys einschiffte, nachdem die reich ausgestattete Braut schon vorher von diesem ihrem Oheim an die Küste Nizzas gebracht worden war. Am 12. Oktober landete er in Marseille. Hier sollte die Zusammenkunft mit Franz I. stattfinden, da Karl von Savoyen sich aus Scheu vor dem Kaiser geweigert hatte, dem Papst die Burg Nizza auszuliefern. Nach den Schreckenstagen in Rom, nach all den furchtbaren Katastrophen feierte Clemens VII. in Marseille die königliche Erhöhung seines Hauses Medici. In nächster Nähe des Königs Franz wohnte er, wie einst in Bologna in der Nähe des Kaisers. Der König und die Königin Eleonore, die Schwester Karls V., die Prinzen, die Großen Frankreichs, die Gesandten fremder Mächte, tausend Herren, Ritter und edle Frauen, endlich der päpstliche Hof umgaben dort das junge Paar, dessen Vermählung der Papst selbst vollzog. Achtunddreißig Jahre später sollte sich auf Katharina der Fluch der Menschheit wenden, denn die späte Nachwirkung dieses Bundes war die Pariser Bluthochzeit, die von einem römischen Papst mit Gebeten gesegnete Bartholomäusnacht. Die Feste in Marseille, die tagelangen Bankette an den Küsten jenes strahlenden Meeres waren sinnverwirrend: und das war das Schauspiel, welches Clemens VII. der Welt statt des Konziles bot.

Das Konzil zu hintertreiben, mußte ihm der König behilflich sein. Unter dem Lärm der Gelage und Turniere verhandelten beide insgeheim über die Zukunft Italiens. Clemens verpflichtete sich zwar nicht durch Vertrag, Franz zur Wiedereroberung von Mailand und Genua förderlich zu sein, aber er sagte ihm zu, ihn daran nicht zu hindern, und sicherlich war es nur der Tod, der ihn von den unausbleiblichen Folgen des Kongresses zu Marseille befreite.

Als er am 10. Dezember 1533 wieder in Rom eintraf, glaubte er die höchsten Erfolge seiner Staatskunst erreicht zu haben, denn die Verbindung seines Hauses mit beiden Großmächten, zwischen denen er stets hin- und hergeschwankt hatte, schien ihm das vollkommene Mittel, das Gewicht der einen durch das der andern aufzuheben, und sie sicherte zugleich der Familie Medici eine glänzende Zukunft. Er täuschte sich wenigstens in diesem Punkte nicht, denn Katharina bestieg den königlichen Thron Frankreichs, und zwei Jahrhunderte lang beherrschten die Medici Florenz. Doch der Tod raffte in wenigen Jahren jene beiden Bastardnepoten hin, um deren Willen Clemens VII. die Freiheit seiner Vaterstadt zerstört hatte. Der glänzende Kardinal Hippolyt starb schon am 10. August 1535 zu Itri in Kampanien am Fieber oder an dem Gift, welches ihm Alessandro Medici hatte beibringen lassen. Der lasterhafte Alessandro selbst wurde am 5. Januar 1537 durch Lorenzino Medici zu Florenz umgebracht.

Dieses Ende seiner Nepoten erlebte Clemens VII. nicht. Bald nach seiner Rückkehr erkrankt, brachte er elende Monate des Siechtums hin, durch Erinnerungen gepeinigt, durch die Angst vor dem Konzil und den trostlosen Blick auf Deutschland und England aufgeregt. Denn nachdem er das endgültige Urteil über die Ehescheidung Heinrichs VIII. ausgesprochen und diesen König mit dem Anathem bedroht hatte, erfolgte die Losreißung Englands von der römischen Kirche.

Am 23. September 1534 schrieb der sterbende Clemens seinen Abschiedsbrief an Karl V. »In Christo geliebtester Sohn! In dieser meiner schweren und beständigen Krankheit, von der Ew. Majestät wohl schon Kunde haben konnte, da ich bisweilen scheinbar zu Kräften kommend, jetzt in größere Gefahr zurückgefallen bin, fühle ich mich dem Ende nahe, und ich scheide nicht ungern aus dem Leben; aber wegen des Friedens Italiens und der Christenheit und der Aufrichtung des Apostolischen Stuhles, was alles ich hauptsächlich Deiner Gnade verdanke und nun hinter mir lasse, bin ich nicht wenig in Sorge, es möchte dies nach meinem Tode auch Bestand haben; denn ich weiß nicht, welche Zeiten auf mich folgen werden und welches Sinnes mein Nachfolger sein wird. Nach diesen öffentlichen Angelegenheiten macht mir auch der Gedanke an meine Vaterstadt Florenz, wo ich das Licht erblickte und an meinen Neffen, den Herzog Alexander, Sorge, da ich fürchte, daß die Stellung, die ihm Deine Großmut verliehen hat, nach meinem Tode durch diejenigen Feinde könnte gestört werden, die der noch nicht erfolgte Vollzug seiner Vermählung mit Deiner Tochter dazu ermutigen dürfte. Doch Deine Treue und Güte, teuerster Sohn, läßt uns nicht fürchten, daß die von Deiner Großmut ausgegangene Liebe je durch Dich verringert werden könnte; vielmehr ich betrachte das schon als vollzogen, was Deine Gewissenhaftigkeit als zu vollziehen bestimmt hat. Demnach bewogen durch die besondere Liebe, mit der ich Ew. Herrlichkeit ergeben bin und von Euch wiederum geliebt zu werden fühle, rede ich zu Euch fast mit der letzten Stimme durch diesen Brief und seinen Boten. Ich sende zu Euch meinen geliebten Sohn, den Protonotar Carnesecca de Medicis, meinen Geheimsekretär, dem ich alle meine Sorgen, die Gedanken meiner Seele und die geheimsten Angelegenheiten zu offenbaren pflege. Ich bitte dringend, diesen mir durch seine Treue und Tugend sehr teuern Mann aus Rücksicht auf mich zu empfangen und anzuhören, und beschwöre Euch beim Herzen unseres Herrn Jesus Christus in dieser meiner letzten Stunde, zunächst daß Ew. Majestät denselben Willen für die Heilige Kirche und das Wohl der ganzen Christenheit bewahre und sich in aller Zeit die Würde des Heiligen Stuhls und den Frieden Italiens empfohlen sein lasse, welcher hauptsächlich von Ew. Herrlichkeit Kraft und Rechtschaffenheit abhängig ist. Sodann empfehle ich Dir persönlich meinen Neffen, den Kardinal Hippolyt Medici, und Alessandro, Deinen Diener und auf Grund des Herzogtums Penna und auch im besondern Deiner Majestät Untertan, daß Du sie in derselben Güte, mit der Du sie in Deinen Schutz genommen, auch ferner behalten mögest, denn ich kann ihnen keine größere Sicherheit zurücklassen als die Hoffnung auf Deine grenzenlose Güte und Gunst. Im Vertrauen auf sie scheide ich gern aus diesem Leben und zweifle nicht, daß Deine Herrlichkeit in Kraft so großer Güte und zu meinem Gedächtnis, diese meine Nepoten in beständigem Schutz behalten werde.«

Man wird die ausdauernde Liebe Clemens' VII. zu seinen Verwandten ehren, aber sich zugleich verwundern, daß der letzte Gedanke eines Papsts, der so viel erschütternde Weltschicksale sich vollziehen sah und durch sie von der Eitelkeit aller irdischen Dinge so tief überzeugt sein mußte, dem Los unbedeutender Nepoten gewidmet war. Er verschied am 25. September. »Er starb«, so sagt Guicciardini, der diesen Papst mißachtete, »gehaßt von der Kurie, den Fürsten verdächtig, eher ein gehässiges und drückendes als ein freundliches Andenken zurücklassend, da man ihn für geizig, für wenig treu und durch Natur dem Wohltun abgeneigt hielt.«  »In Clemens«, so sagt Jovius, »fehlte die Kraft der Großmut und Freigebigkeit; seine Natur hatte Gefallen an Kargheit und Verstellung; er war nicht grausam und boshaft, aber hart und engherzig. Er haßte niemand, weil er niemand liebte.«  »Seit mehr als hundert Jahren«, so rief ihm sein Vertrauter Francesco Vettori nach, »saß auf dem Heiligen Stuhl kein besserer Mann als Clemens VII.: er war nicht grausam, nicht stolz, nicht simonistisch, nicht geizig, nicht wollüstig... Trotzdem ist der Zusammensturz in seine Zeit gefallen; und andere, welche voll von Lastern waren, lebten und starben in bezug auf die Welt im Glück.«

Auf Clemens VII. statt auf Alexander VI. entlud sich ein Verderben, welches furchtbarer war als die Schuld dieses schwachen und ängstlichen Menschen, der keine große Leidenschaft und ein kleines Herz besaß, der von den Pflichten des hohen Priestertums nur das hergebrachte Formelwesen verrichtete und seine ganze Regierung mit kleiner und großer Politik ausfüllte. Die Strafe, welche die Verirrungen, den weltlichen Ehrgeiz und die Sünden des Papsttums seiner Vorgänger rächte, traf ihn als den Erben von der Verderbnis, die sich in der Kurie und Kirche angehäuft hatte. Es ist nur gerecht zu sagen, daß Clemens VII. von dem Labyrinth ererbter Übel so fest umstrickt war, daß eine übermenschliche Kraft würde nötig gewesen sein, um ihn davon zu befreien. Es war erst die Wirkung der Reformation, welche seinen Nachfolgern den Ausweg daraus geöffnet hat. In den Stürmen einer neuen, die Welt umgestaltenden Zeit auf den Heiligen Stuhl gestiegen, begegnete er jenen nur mit den schwächlichen Künsten des Diplomaten aus der Schule Leos X. und des Fürsten Machiavellis, um, wenn dies irgendein Papst sonst getan, den sonnenklaren Beweis zu liefern, daß das Unheil der Kirche wie der Staaten aus der Vermischung der Religion und Politik entspringt und daß Priester dazu berufen sind, an dem Altar der Kirche zu stehen, nicht aber Völker politisch zu regieren. Sein Pontifikat war für die Welt und für Rom verderbenbringend. Man kann ihn geradezu den unseligsten aller Päpste nennen. Er sah zu gleicher Zeit die weltgeschichtliche Größe des Papsttums fallen, die Einheit der katholischen Kirche zertrümmern und die Freiheit Italiens in der Fremdherrschaft untergehen.

Wenn dieser Papst des Unterganges ein großer Charakter gewesen wäre, so würde er in der Geschichte seines Vaterlandes wie des Papsttums wenigstens als eine hohe tragische Gestalt dastehen. Denn Clemens VII. war der letzte Papst, welchen die Verhältnisse dazu beriefen, die Freiheit des italienischen Volks gegen die erneuerte Kaisergewalt und die Fremdherrschaft überhaupt zu verteidigen, wie dies große Vorgänger auf dem Papstthron in alten Zeiten getan hatten. Er scheiterte an einer erhabenen Aufgabe auf klägliche Weise; er warf sie endlich hin, um aus kleinlicher Hauspolitik einen Bund mit derselben siegreichen Gewalt zu schließen, welche Italien knechtete. Als erstes Opfer dieses Bundes fiel durch ihn Florenz, wodurch die Herstellung eines nationalen Staatensystems Italiens für die Dauer unmöglich wurde. Mit Clemens scheiterte an jener großen Aufgabe aber auch das Papsttum selbst und für alle Zeit. Durch die Fremdherrschaft, welche es seit Alexander VI. in Italien eingeführt, darin unter Clemens VII. befestigt und besiegelt hatte, von seiner nationalen Höhe abgesetzt, durch die Reformation vom Gipfel seiner geistlichen Universalmacht herabgestürzt, endlich durch die Gegenreformation auch aus dem neuen Leben der Kultur in geistige Erstarrung hinweggedrängt, verband sich das Papsttum, seither nur als Ruine weiterlebend und von jedem stärkeren Lufthauche der Freiheit im Staat und in der Wissenschaft erzitternd, fast mit jeder despotischen Herrschermacht und mit jedem rückwärtsgewendeten Prinzip, um seinen weltlichen Staat und seine geistliche Gewalt aufrechtzuhalten.

Das Grabmal Clemens' VII. in der Santa Maria sopra Minerva, wo es dem Monument Leos X. gegenübersteht, ist auch der letzte Meilenstein einer langen Epoche des Papsttums und der Stadt Rom, der leidenvollsten, der ruhmreichsten und erhabensten Geschichte, die in den Annalen der Menschheit verzeichnet steht.


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