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Den ergreifendsten Ausdruck hat die allgemeine Verzweiflung in dem merkwürdigen »Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele« gefunden. Es ist eine Art Monolog, freilich von ägyptischer Prägung. Solche Unterredungen mit der »Psyche«, dem »Schatten«, hat das ganze Altertum gekannt; noch der heilige Augustinus hat einen wunderbaren Dialog mit seiner Vernunft verfaßt. Der Lebensmüde will Selbstmord begehen, und zwar, für den Ägypter etwas Unerhörtes, durch Verbrennung. Das Begräbnis mit seinen Zeremonien, die peinliche Erhaltung des Leichnams, der Kult des Toten, all das, sagt er, ist überflüssig. Die Seele sträubt sich. Daß die Gräber nichts nützen, gibt sie zwar zu: selbst aus den Pyramiden reißt man die Mumien. Aber vom Selbstmord will sie auch nichts wissen. Genieße froh das Leben, mahnt sie, was nachher kommt, darüber mach dir keine Sorgen. Allein das lehnt der Lebensmüde voll düsterer Erbitterung ab: »Zu wem soll ich denn sprechen? Man ist habgierig, ein jeder nimmt das Gut seines Nächsten. Zu wem soll ich sprechen? Die Sanftmut ist untergegangen, die Frechheit ist zu allen Menschen gekommen. Zu wem soll ich sprechen? Die Gesichter sind unsichtbar geworden, ein jeder hält den Blick gesenkt vor seinen Brüdern. Zu wem soll ich sprechen? Es gibt keine Gerechten, die Erde ist unter die Übeltäter verteilt. Der Tod steht vor mir wie die Genesung nach langer Krankheit, wie der Geruch der Myrrhen, wie der Geruch der Lotusblumen, der Tod steht vor mir wie der entwölkte Himmel, wie das 207 Heimathaus, wie die Rückkehr nach langer Gefangenschaft.« Da läßt sich auch die Seele überzeugen: »Mach, was du willst, lebe oder stirb, ich werde dir folgen.« Ein fast hamletischer Skeptizismus spricht aus diesem merkwürdigen Gedicht.