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Das Klima Palästinas ist sehr kontrastreich: Auf brutheiße Tage folgen frostkalte Nächte, auf wilde Regengüsse Zeiten der wolkenlosen Dürre, auf eisige Nordstürme glühende Südwinde. Im Oktober und November fallen die sogenannten Frühregen, die das Erdreich für den Pflug aufweichen, von Dezember bis März die Winterregen, die die Quellen speisen und die Zisternen füllen, im April und Mai die Spätregen, die dem Getreide die letzte Feuchtigkeit geben. Die übrige Zeit ist fast regenlos; doch bietet der nächtliche schwere Tau, der von den feuchten Seewinden herbeigetragen wird, einen gewissen Ersatz: Er fällt so reichlich, daß das Schlafen im Freien unmöglich ist und die Zelttücher des Morgens tropfnaß sind. So besorgt auch hier, obschon auf ganz andere Weise als im Nilland, die Natur einen Teil der Geschäfte des Landmanns. Aber bisweilen bleiben die Spätregen aus, dann verschmachtet die Frucht und Krankheit reift unter der trockenen Hitze. Deshalb ist Regen und Tau der höchste Segen, den der Israelit von Jahwe erfleht, Dürre das Zeichen seines Zornes. Zumal zwischen den hohen Bergwänden der Jordanebene, die infolge ihrer tiefen Lage dem Einfluß der Seewinde völlig entzogen ist, kann sich die Luftsäule bisweilen zu tropischen Temperaturen erhitzen. Aber auch Schnee fällt hie und da, der sich allerdings in den Niederungen 423 nur sehr kurze Zeit hält, während er die Spalten des Hermon und seiner Nachbarberge das ganze Jahr lang bedeckt: Darum heißt der Libanon auch gelegentlich »Schneeberg«. Manchmal vernichtet auch Hagel die Ernte; die ärgste Plage ist aber der »Brennwind«, der Schirokko, der, von Osten über das Land fegend, Quellen und Bäche austrocknet, die Früchte schrumpfen und verdorren läßt: Er wirkt nicht weniger verheerend als ein Wiesenbrand. Wenn er sich erhebt, färbt der feine Sand, den er mit sich führt, den Himmel fahlgelb, die Sonne wird zur rauchenden Feuerkugel, Menschen und Tiere sind wie gelähmt. Palästina ist aber auch ein Herd tektonischer Erdbeben: Nicht selten wanken die Berge, von Jahwes Finger bewegt.
Das Naturbild hat etwas großartig Monotones: triste, steile Bergwände, völlig kahl oder in fahlem Mattgrün schimmernd, baumleere Gipfel, in weißer Dunstschicht gespenstisch zitternde Gewässer, die Erde drei Viertel des Jahres braun und verbrannt. Palästina war niemals ein ausgeprägtes Waldland; aber immerhin gab es in alter Zeit noch größere zusammenhängende Forste, in denen Hirsche hausten, und längs der Gewässer Galeriewälder. Ziemlich verbreitet war die Kiefer, der nüchternste und dürftigste unter den Nadelbäumen. Eiche und Terebinthe standen immer nur vereinzelt: Sie sehen einander so ähnlich, daß sie oft miteinander verwechselt werden; ihre Früchte sind aber sehr verschieden: die Terebinthe trägt Steinobst, das Öl liefert. Andere Charakterbäume sind die Platane, die Pappel, die Weide, die Zypresse: lauter mehr oder weniger melancholische Gewächse. Der Walnußbaum war in erster Linie seines Schattens wegen geschätzt und ein beliebter Schmuck des Hauseingangs. Unsere Lieblinge: die Linde und Buche, Fichte und Tanne, waren dem Bewohner des Jordanlandes unbekannt; die Königin seiner Wälder war die Zeder, die aber schon zu Salomos Zeiten nur am Libanon wuchs, mit ihrem hohen, schlanken Stamm und ihrem immergrünen breiten Nadelschirm ein 424 prächtiger und eigenartiger Baum. Ihr Höchstalter beträgt nicht weniger als dreitausend Jahre, das sie aber in Palästina wohl niemals erreichte, denn ihre Bestände wurden zu allen Zeiten stark geplündert. Zu welcher Gattung der »Baum der Erkenntnis« gehörte, ist eine umstritten Frage: Der lateinischen Tradition gilt er als Apfelbaum, der griechischen als Feigenbaum (daher die Erzählung vom Feigenblatt) und der rabbinischen als Weinstock.
Im Frühling bedeckte ein farbenreicher, aber rasch verwelkender Blumenkranz allenthalben die Gärten und Wiesen: Tulpen, Anemonen, Narzissen, weiße und feuerbunte Lilien, blauer und goldgelber Safran. Dann glich das Heilige Land einem summenden Bienenstock. Der palästinensische Honig war wegen seines köstlichen Aromas berühmt; er wurde aber nicht durch Zucht, sondern aus den Waben der wilden Bienen gewonnen. Die Vergänglichkeit der heimischen Flora findet einen ergreifenden Ausdruck in dem Gleichnis des Psalmworts: »Die Feinde Jahwes sind wie die Pracht der Auen, sie schwinden dahin wie Rauch.« Bis zum Einbruch der Trockenheit mußte das Getreide unter Dach gebracht sein; es wuchs ziemlich reichlich, so daß es nicht nur den Bedürfnissen der Bevölkerung genügte, sondern auch einen bescheidenen Export gestattete, der durch phönizische Schiffe vermittelt wurde. Daneben gediehen die Hirse, die Linse, die Bohne und Erbse. Weinberge und Ölgärten füllten die Hügel und Täler, das leuchtende Himmelblau der blühenden Flachsfelder schmückte schon im Januar weite Flächen. Die syrische Feige wurde sogar von den Ägyptern begehrt. Zwischen sattgrünem Laube leuchtete purpurn der Granatapfel, den schon Mose preist und dem das Hohelied die Wangen der Freundin vergleicht. Aber auch die Mandel, die Pistazie, die Maulbeere, der Johannisbrotbaum waren den alten Hebräern nicht fremd. Der Hauptstandort der Dattelpalme war die Oase von Jericho.
Eine Belebung der einförmigen Landschaft bildeten die 425 zahlreichen künstlichen Teiche, die, oft von beträchtlicher Ausdehnung, durch Quellen, Regengüsse und Wasserleitungen gespeist wurden. Sie stammten zum Teil schon aus vorisraelitischer Zeit; hingegen hat es niemals Bergwerke gegeben, denn Palästina besitzt keine Mineralschätze. Von wilden Tieren finden sich im Heiligen Lande noch heute der Eber, der Fuchs, die Hyäne, der Schakal, der auf hebräisch »Heuler« heißt, und der Wolf, der bedeutend kleiner ist als der europäische; früher aber hausten in den schwülen Dschungeln am Jordan auch Löwe und Panther, und die Gebirge durchstreifte der nicht minder gefürchtete »Leisetreter«, der Bär; auch wilde Esel und Stiere trieben sich in den steppenartigen Gegenden umher. Mehrere hebräische Ortsnamen sind mit »Löwe« zusammengesetzt; Jesaja nennt Jerusalem Ariel, den »Löwen Gottes«. Auch der Strauß ist heute im Jordanland ausgestorben. Andrerseits gab es dort in der ganzen biblischen Zeit weder Gänse noch Enten und vor dem Ende des Exils auch keine Hühner, dagegen das Rebhuhn, genannt »der Schreier«, massenhaft Tauben, deren Züge »wie ein Gewölk heranflogen zu ihren Gittern«, und Sperlinge, die ebenfalls zu den eßbaren Vögeln gezählt wurden. Ein anderer uns ungewohnter Leckerbissen waren die Heuschrecken. Sie wurden in Säcken getrocknet, in Salzwasser aufgekocht und über Zucker und Gewürz geröstet, auch zu Mehl vermahlen und zu Kuchen verbacken. Von diesem bescheidenen Genuß abgesehen, waren sie aber der Schrecken des Landes. Wenn ihr Millionenheer, mit seiner Masse die Sonne verdunkelnd, daherraste und, wie ein Hagelschauer niederprasselnd, Feld und Wiese im Nu splitternackt fraß, so erbebte das Volk. Gleich dem Getümmel fliegender Rosse erschien dem Propheten Joel ihr Gespensterzug, gleich dem Gerassel der Kriegswagen ihr Geschnarr. Eine ähnliche wahllose Gefräßigkeit in Rudeln, nur in nützlicher Form, entwickelten die Hunde, die, überall wild umherlaufend und allen Abfall und Unrat 426 gierig verzehrend, eine Art Sanitätspolizei bildeten. Darum galt der Hund als unrein und bezeichnete ein Schimpfwort, und wenn auch wir noch ganz widersinnig den Namen des edelsten und klügsten, menschenfreundlichsten und menschenähnlichsten Tiers in diesem Sinne gebrauchen, so kann hier nur der Einfluß des Alten Testaments im Spiele sein.