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Das Jahr 539 brachte dem neubabylonischen Reich den Untergang durch die Perser, die nunmehr die unumschränkten Herren ganz Vorderasiens waren. Als Kyros oder Koresch, wie die Juden ihn nannten, ohne Schwertstreich in Babel einzog, dessen Tore sich ihm durch Verrat geöffnet hatten, vom Volke 467 mit Palmzweigen begrüßt, war seine erste Tat, daß er allen unterdrückten Völkern die geraubten Götterbilder zurückgab und alle nationalen Kulte wiederherstellen ließ. Bald darauf, genau ein halbes Jahrhundert nach der Zerstörung Jerusalems, gestattete er den Judäern die Rückkehr nach Palästina. Daß er diesen auch sonst wohlgewogen war und sogar den Wiederaufbau des Tempels aus Staatsmitteln förderte, hatte zum Teil politische und strategische Gründe: eine Auseinandersetzung mit Ägypten, der einzigen noch vorhandenen Großmacht, war unausweichlich, und da mußte es für ihn von großem Wert sein, sich in der Grenzprovinz eine persophile Bevölkerung zu sichern. Aber auch dem besiegten Gott Marduk von Babel hat Kyros eifrig geopfert. Ein so freier und offener Sinn für die Formen fremden Glaubens und Denkens fehlte den Juden ebenso wie ihren Feinden, den Ägyptern, Assyrern und Babyloniern, und dies ist auch der Grund, warum Christentum und Buddhismus, deren Wesen Ehrfurcht vor jeder gottgeschaffenen Kreatur ist, in ihrer reinen Form nur bei indogermanischen Völkern Verbreitung gefunden haben und warum die einzige semitische Weltreligion, die mohammedanische, eine Geburt des Fanatismus ist.
Von den Heimgekehrten fanden viele, daß das Exil eine schönere Heimat gewesen sei. Die zurückgebliebene niedere Fellachenbevölkerung hatte sich wieder dem alten Höhenkult zugewendet und empfing die strenggläubigen Stammesbrüder mit Widerwillen. Feindliche Nachbarn beunruhigten plündernd die Grenzen; dazu kamen Mißwachs und Steuerdruck. Auch der Neubau des Tempels ging nur langsam vorwärts. Endlich, zwischen 520 und 510, wurde er vollendet: durch den Landpfleger Serubabel, einen Davididen, der deshalb von einzelnen Propheten als Messias gefeiert wurde. Aber das Volk fuhr fort, sein Blut und seinen Glauben mit dem fremden zu vermischen. Erst im Jahr 458 gelang es Esra, einem Gelehrten aus priesterlichem 468 Geschlecht, der in Babylonien zurückgeblieben war, vom Großkönig Artaxerxes dem Ersten weitgehende Vollmachten zu erwirken, mit denen er, von zahlreichen Juden begleitet, nach Jerusalem reiste, um die nötigen Reformen durchzuführen. Unter seinem Einfluß beschlossen die versammelten Männer von Juda, alle Gattinnen und Kinder aus Mischehen zu verstoßen. Ob es gelang, diese Maßregel in ihrer vollen Schärfe zur Durchführung zu bringen, ist allerdings mehr als fraglich. Esra scheint überhaupt nicht viel ausgerichtet zu haben; auch der Bau der Stadtmauer, den er zum Schutz gegen die revoltierenden Samariter in Angriff genommen hatte, wurde auf deren Betreiben von Artaxerxes untersagt. Aber dreizehn Jahre nach Esra erschien Nehemia, bisher Mundschenk am Hofe zu Susa, mit noch weit umfassenderen Befugnissen und fast diktatorischer Gewalt ausgestattet, und unter ihm wurde sowohl der Mauerbau wie die Reform vollendet. Im zweiten Jahr Nehemias, 444, verlas Esra öffentlich das Gesetz. Er las vom frühen Morgen bis zum Mittag, von lautem Weinen unterbrochen, denn alle sahen, daß sie es bisher nicht gehalten, ja nicht einmal gekannt hatten, und als er geendigt hatte, verpflichtete sich das Volk unter schweren Eiden und Selbstverfluchungen, es von nun an getreulich zu befolgen, ganz wie es 177 Jahre früher unter Josia getan hatte. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß Nehemia auch kräftig für die Besitzlosen eintrat, indem er erwirkte, daß die verpfändeten Äcker zurückgegeben und die Schuldsklaven freigelassen wurden.