Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Das Heer

Es wurde schon gesagt, daß in Ägypten von alters her die Tätigkeit des Schreibers als der bewunderungswürdigste Beruf galt, und dies hat sich in der überfeinerten Kulturwelt des Neuen Reichs natürlich nicht geändert. Aus Schreibern rekrutierte sich der allmächtige Priesterstand und das höhere Beamtentum, Schreiber füllten den königlichen Palast und begleiteten Handelsexpeditionen und Heereszüge, und damit wurde sogar aus dem Offizier eine Art Schreiber. Aber zugleich bahnte sich eine umgekehrte Entwicklung an: Der Offizier drängt sich in die Schreiberfunktion, leitet Materialtransporte, Kanalanlagen, Tempelbauten und rückt in wichtige zivile Verwaltungsposten ein; besonders die exponierten Landesteile waren naturgemäß ganz militärisch organisiert. Durch die fortwährenden Kämpfe in Nubien und Syrien war das stehende Heer unentbehrlich geworden und zu großer Bedeutung gelangt. Ein Ritterstand hat sich aber nicht ausgebildet, obwohl die Einführung des Streitwagens es hätte begünstigen können. Hingegen hat sich, da die Anschaffung der Rosse und des übrigen Materials mit beträchtlichen Kosten verbunden war, aus der neuen Waffe eine Art Geldadel entwickelt. Die Verwendung des Pferdes war fast ausschließlich auf den Kutschierwagen beschränkt. Reiter gab es in Ägypten überhaupt nicht, und auch beim Train kamen vorwiegend Packesel und vierräderige Ochsenkarren zur 392 Verwendung. Die strategische Bedeutung der Wagentruppen beruhte vor allem darin, daß sie mit großer Geschwindigkeit umgruppiert und an entscheidenden Punkten überraschend eingesetzt werden konnten; in geschlossener Masse gegen den Feind geworfen, müssen sie ein Angriffsinstrument von überwältigender Macht gewesen sein, vergleichbar einem großen Artilleriefeuer. Der Pharao leitete sehr oft den Kampf persönlich, und dieser Tatsache entsprachen zwei neue große Hofchargen: »Wagenlenker« und »Waffenträger« des Königs. Das Fußvolk bestand aus ägyptischen Bauern und, in den späteren Zeiten des Neuen Reichs in immer größerem Umfang, aus fremden Söldnern: Syrern, Libyern, Nubiern und den geheimnisvollen »Schardana«, in denen man Sardinier vermutet hat. Diese ausländischen Kontingente bildeten die stärkste Stütze des absoluten Königtums, aber auch dessen größte Gefahr: Manethos zweiundzwanzigste Dynastie der »Bubastiden« oder »Libyer« war wahrscheinlich ein Geschlecht von Usurpatoren, die aus der königlichen Garde hervorgegangen waren. Daß man die Einteilung in Vorhut und Nachhut, Zentrum und Flügel schon damals gekannt hat, geht aus den Schlachtenschilderungen hervor, auch gab es so etwas wie Trommelfeuer: das Schießen in Salven; der Begriff der Reserve war aber allem Anschein nach noch nicht entwickelt. Der Flotte, die zu manchen Zeiten ziemlich bedeutend war, oblag lediglich der Küstendienst: der Truppentransport, die Sicherung der Rückzugslinie und die Unterstützung der Landstreitkräfte. Ein Marinevolk sind die Ägypter auch im Neuen Reich nicht geworden: Wir haben gesehen, daß auch die große Schlacht gegen die »Seevölker« nur ein Sieg der Bogenschützen war, indem die Ägypter in kluger Erkenntnis ihrer Stärke und Schwäche den Kampf sozusagen in ein »schwimmendes Landgefecht« verwandelten.


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