Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Archilochos

Die bedeutendste Erscheinung der griechischen Musikgeschichte scheint Archilochos aus Paros gewesen zu sein: er galt als der Erfinder lebhafterer Zeitmaße und der einzigen Form der antiken Heterophonie: der Umspielung der Melodie mit verzierenden Figuren, ferner der Parakataloge, einer Art melodramatischen Vortrags. Er war der mittellose Sohn eines Adeligen und einer Sklavin und muß um die Mitte des siebenten Jahrhunderts gelebt haben, da er eine astronomisch fixierbare Sonnenfinsternis vom April 648 geschildert hat. Erhalten sind von ihm nicht mehr als einige Gedichtfetzen von zusammen etwa hundertfünfzig Versen. Er ist auch der Erfinder des Jambus, des μέτρον λεκτικώτατον, wie ihn Aristoteles nennt, des »Metrums, in dem sich am besten reden läßt«. In der Tat gibt es kaum ein zweites Versmaß, das für natürlichen und doch dichterischen Ausdruck so geeignet wäre wie der federnde Jambus und sein phlegmatischeres Gegenstück, der Trochäus, den die Alten ebenfalls zur »Jambographie« rechneten. Jambos heißt eigentlich Pfeil, und ursprünglich diente er auch wirklich nur der Polemik. An Archilochos rühmten alle Zeitalter, die ihn noch kannten, die niedermähende Gewalt der Rede, den Blitz des Einfalls, das Blut der Bilder und man stellte ihn neben Homer. Er scheute auch nicht davor zurück, seine Pfeile in das Gift des Zynismus und den Schmutz der Obszönität zu tauchen, und sein Spott soll so furchtbar gewesen sein, daß er die Opfer in den Tod trieb. Die attische Komödie scheint sehr viel an Archilochos gelernt zu haben; Horaz und Catull bekannten sich offen als seine Nachahmer.


 << zurück weiter >>