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Die Opfer waren entweder Schlachtopfer. Stiere, Schafe, Ziegen, Tauben, auch bisweilen, worüber ein Ägypter in Ohnmacht gefallen wäre, fette Schweine, oder Speiseopfer: Milch, Butter, Öl, Honig, Datteln, Getreide, oder Rauchopfer aus duftenden Hölzern und Essenzen, denen manchmal auch Rauschgifte beigemengt waren. Das Opfer ist »Himmelsspeise«, die die Götter genießen: sie drängen sich zu dem süßen Duft wie die Fliegen. Auch Kleider, bei reichen Spendern nicht selten golddurchwirkt und juwelenbesetzt, werden ihnen gestiftet. Nicht bloß in den Tempeln wurde geopfert, sondern auch an Quellen, auf Bergesspitzen, am Meeresufer, auf dem Dache des Hauses. Die Mengen des Dargebrachten waren so reichlich, daß die Priester ihren Anteil an den gehäuften Mastkeulen, Weinen, Fladen und Fischen nicht zu verzehren vermochten und daher regelmäßig verpachteten. In der Urzeit gingen sie bei den Kulthandlungen nackt, später bestand ihre Tracht aus reinem Linnen und einem Fez, bei Austreibungen von Dämonen in einem glänzendroten Gewand, von dem man hoffte, es werde diesen »Schrecken einjagen«. Eine eigene Klasse von Priesterinnen war dazu bestimmt, sich, besonders an hohen Festtagen, den Fremden hinzugeben. Hierin ist keine Unsittlichkeit zu erblicken: Indem die Hierodulen im Haine der Ischtar ihre Jugendblüte darbringen, tun sie etwas Analoges wie der Landmann, wenn er die Erstlinge der Feldfrucht opfert. Sie durften auch später heiraten, was oft geschah, aber keine Kinder bekommen, was durchaus logisch war, denn da sie sich im Grunde durch ihre heilige Prostitution der Gottheit vermählt hatten, wäre es für sie unpassend gewesen, sterbliche Geschöpfe zu gebären; sie brachten daher für diesen Zweck eine Nebenfrau 310 mit in die Ehe. Eine andere merkwürdige Institution war die strenge Form der Leviratsehe, wie sie bei den Assyrern, aber wohl nur bei diesen, bestand: wenn es keinen Schwager gab, mußte der Schwiegervater einspringen, und wenn auch dieser nicht verfügbar war, konnte die Heiratsverpflichtung auf jeden männlichen Verwandten übertragen werden, der das zehnte Lebensjahr überschritten hatte.
Die zahlreichen Dämonen wohnen in der Unterwelt oder in der Wüste, wohin der Beschwörer sie zurückzutreiben hat. Sie sind die Ursache aller Krankheiten und Viehseuchen, der Dürre, des Unwetters, der Impotenz, der weiblichen Unfruchtbarkeit. Jeder Körperteil steht unter dem Einfluß eines bestimmten Dämons. Ihre Zeit ist die Nacht, ihre Zahl die Sieben oder vielmehr, da sich jedes Ereignis zu gleicher Zeit einmal im Himmel und einmal auf Erden vollzieht, zweimal sieben. Zu den bösen Mächten rechnete man auch die Geister der Toten: werden ihnen nicht regelmäßig Opfer, vor allem Wasserspenden, dargebracht, so müssen sie ruhelos umherirren und rächen sich für die Vernachlässigung. Die Schattengeister, die keinen Pfleger haben, müssen sich kümmerlich von den Abfällen nähren, die auf die Straße geworfen werden; deshalb ist es das größte Unglück, ohne nahe Angehörige zu sterben, und der Kinderlose sucht dies durch Adoption zu verhüten. Gegen verderbliche Wirkungen schützte die Magie mit Vorliebe durch symbolische Handlungen: Der Priester blies Spreu weg, riß Datteln ab, löste Knoten; oder er opferte Kopf, Hals, Brust eines Tiers für den entsprechenden erkrankten Körperteil eines Menschen. Auch die Technik des Abrakadabra war den Babyloniern wohlvertraut; man sagt zu dem boshaften Geist Worte wie »Ki rischti libiki la libi pisch; sa anzisch pischti anzischte«, aber wie oft und in welcher Reihenfolge, das wußte nur der Magier, dessen sich jedermann bediente: der Baumeister und der Bauer so gut wie der Kauffahrer und der Spieler, der Schankwirt und das Bordellmädchen. 311