Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Polykrates

Am dauerndsten aber hat die Phantasie der Griechen die Gestalt des Polykrates beschäftigt, der etwa ein halbes Jahrhundert nach Perianders Tod, 537, die Herrschaft über Samos errang. Er verfügte über die seetüchtigsten Schiffe und die seekundigsten Matrosen, mit denen er eine Art Piratenterror über die ganze Ägäis ausübte und riesige Schätze an Beute und Geleitsgeldern zusammenraffte. Die Kykladen und Sporaden und viele Küstenstädte waren ihm tributär, mit Athen und Ägypten war er verbündet. Sein Heratempel, von dem vor kurzem Bruchstücke ans Licht gekommen sind, scheint das Kunstreichste und Großartigste gewesen zu sein, was das damalige Hellas hervorzubringen vermochte. Eine Druckwasserleitung, von Gebirgsquellen gespeist, versorgte die Brunnen und Bäder, Küchen und Kanäle der ganzen Hauptstadt und brachte im Sommer durch berieselte Marmortreppen Kühlung. In dem riesigen Bibliotheksgebäude türmten sich griechische, babylonische und ägyptische Buchrollen, die Palastgärten waren mit prachtvollen exotischen Gewächsen gefüllt. Um den Tyrannen scharten sich die schönsten Knaben, die berühmtesten Erzgießer und Architekten, Astrologen und Sänger. Er trank die erlesensten Weine, trug die edelsten Purpurgewänder 691 und schritt über die kostbarsten Teppiche, und der Ring des Polykrates, ein Meisterwerk der Steinschneidekunst, ist nicht erst durch Schiller berühmt geworden. Aber um 530, als der Dynast auf der Höhe seiner Macht stand, wanderte der große Pythagoras aus: die giftige Luft der Unfreiheit und Beargwöhnung konnte ein Philosoph nicht ertragen. Acht Jahre später lockte der Satrap von Sardes den Herrscher unter der Vorspiegelung neuen, noch weit größeren Reichtums aufs Festland, wo er ihn inmitten der versprochenen Schätze und angesichts der herrlichen samischen Inselburg, deren Ruinen noch die Bewunderung Caligulas erregten, kreuzigen ließ. Am Gold, das ihn großgemacht hatte, ist er zugrunde gegangen.


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