Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Die Kossäer

Man hat Hammurapi nicht mit Unrecht mit Karl dem Großen verglichen. Aber schon mit seinem Sohn begann wieder der Abstieg. Immer mehr Außenländer rissen sich los. Um 1760 fielen die Hethiter ein, eroberten zahlreiche Städte, darunter Babel, und raubten sie aus. Sie zogen zwar bald wieder ab, aber die Invasion hatte das Reich so geschwächt, daß es etwa ein Jahrzehnt später einer zweiten, viel nachhaltigeren Katastrophe zum Opfer fiel. Die Kossäer (Kassiten, Kassu), die fern im Osten, nördlich von Elam, in den Grenzgebirgen des iranischen Hochlands nisteten, überschwemmten das ganze Land und brachten es unter ihre Botmäßigkeit. Und nun fällt für fast sechs Jahrhunderte (1750 bis 1170) der Vorhang. Die Kossäer scheinen im Lauf dieser Zeit nicht nur in der Kultur, sondern auch in der Rasse der unterjochten Völker des Zweistromlandes völlig untergetaucht zu sein, denn nicht die geringste Spur ist von ihnen zurückgeblieben. Sie selbst brachten den Babyloniern nur das Pferd und den Ärmelrock. Erst als um 1300 die Assyrer genügend erstarkt waren, vermochten sie es, die Kossäerherrschaft zu stürzen und sich unter Adadnirari, dessen Sohn Salmanassar dem Ersten und dessen Enkel Tukulti-Ninurta zu Herren Mesopotamiens zu machen. Aber der Sieg war vorübergehend: nach siebzig oder achtzig Jahren entrissen 305 die Kossäer Assyrien wiederum die Macht und machten es sogar zeitweilig zur Provinz. Schließlich aber wurden sie 1170 von dem Begründer der zweiten Dynastie von Isin endgültig entthront. Sie zogen sich in ihre Berge zurück, und man hörte nichts mehr von ihnen. Für Babylonien sind sie ein ähnliches Unglück gewesen wie die Mongolen für Rußland. Unter Tiglatpileser dem Ersten, der um 1100 herum regierte, wurde aber wieder Assyrien Großmacht. Er drang bis ans obere Meer vor, das noch kein Assyrer vor ihm erblickt hatte, und ließ sich von den syrischen Städten huldigen. Auch der Pharao bezeugte ihm seine Reverenz und schickte ihm Geschenke, unter anderm Affen und Krokodile, die er auch noch nie gesehen hatte. Schließlich eroberte Tiglatpileser sogar Babel. Ebenso berühmt wie als Krieger war er als Jäger. Sein Lieblingswild war der Löwe, der im Zweistromland heute ausgestorben ist, damals aber noch sehr zahlreich im Sumpfdickicht und am Wüstensaum hauste; er interessierte sich aber auch für Steinböcke und Gazellen, Hirsche und Wildstiere, Eber und Strauße. Auch seine Bautätigkeit, die natürlich vor allem der Hauptstadt Assur zugute kam, wird gerühmt; der Kultur der Dattel und anderen Edelobstes wandte er besondere Aufmerksamkeit zu, ja er versuchte sogar die Zeder zu akklimatisieren, für deren prächtige duftende Stämme er eine besondere Leidenschaft hatte. Er nannte sich »König der Menschheit«, was aber für damalige Vorstellungen nichts besonders Größenwahnsinniges an sich hatte. Jedoch schon unter seinem Sohn gewann Babylonien wieder die Freiheit zurück; hier aber wollen wir vorläufig abbrechen, denn das Thema droht unerträglich langweilig zu werden.

Fassen wir das Ganze zusammen, so gelangen wir zu der nachfolgenden Übersicht; die ungefähr gleichzeitigen ägyptischen Daten sind danebengesetzt. 306

Vor 3000 Urkönige; Sintflut, Sumerer }
}
Urzeit; Altes
Reich: Thiniten
 
3000 bis 2800
 
um 2750
 
um 2650
 
um 2600
Abwechselnde Vorherrschaft
südbabylonischer Städte
Eannatum: Vorherrschaft
von Lagasch
Lugalzaggisi: Großreich von
Umma
Sargon I.: Großreich von
Akkad
}
}
}
}
}
}
}
}
Pyramiden
 
um 2500
um 2400
Großreich von Ur
Einfall der Gutäer
}
}
»Zwischenzeit«
 
um 2200
nach 2200
Großreich von Elam
Vorherrschaft von Isin und
Larsa
}
}
}
Herakleo-
politen
 
nach 2000
1955 bis 1912
 
um 1750
Rimsin: Großreich von Larsa
Hammurapi: Großreich von
Babel
Hethitereinfall
}
}
}
}
Mittleres Reich:
Blütezeit unter
der 12. Dynastie
 
etwa 1750 bis
    1170
etwa 1300 bis
    1230
1170
Kossäerherrschaft;
dazwischen
Assyrerherrschaft
 
Dynastie von Isin
}
}
}
}
}
Hyksos;
Neues Reich:
Großmacht
 
um 1100 Tiglatpileser I.: Großreich
von Assur
}
}
Taniten

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