Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Öl

Der Ölbaum, eine bedürfnislose Pflanze, die auch auf steinigem Boden ein hohes Alter erreicht, bildet in Griechenland 598 ganze Wälder, deren silbergraues, wie bestäubtes Blattwerk etwas monoton wirkt. Seine harten Stämme empfahlen sich früh der Bearbeitung; schon die Keule des Kyklopen in der Odyssee ist aus Olivenholz. In der Ilias werden nicht bloß die Götter und Menschen, sondern auch die edlen Pferde mit Öl gesalbt; die Rosse Hektors bekommen sogar Wein, was manche Philologen sehr mit Unrecht als epische Übertreibung angesehen haben, da man doch noch heute Rennpferden Sekt zu trinken gibt. Wiederum waren es die Athener, die sich des besten Produktes rühmten; der Ölbaum war der Landesgöttin Athene heilig, und an den Großen Panathenäen, die ihr zu Ehren veranstaltet wurden, bestanden die Preise in Krügen mit Öl. Die Früchte wurden zunächst in den Ölmühlen zerquetscht, dann entkernt und mehrmals ausgepreßt. Man hat jahrhundertelang geglaubt, das starke Salben des Körpers sei eine Marotte der Griechen gewesen; heute aber, wo es mit der erneuten Wertschätzung von Luft, Sonne und Sport wieder in Mode gekommen ist, beginnt man seine hygienische Bedeutung langsam einzusehen. Sie bedienten sich dazu übrigens nicht bloß des Öls, sondern auch tierischer Fettstoffe, vor allem des Wollfetts, und auch dieses ist in neuerer Zeit wieder zu Ehren gekommen, allerdings mehr im medizinischen Betrieb, seit im Jahr 1885 Liebreich aus dem Schafwollfett das heute allbekannte Lanolin darstellte, das, da es sehr leicht in die Haut eindringt, die Aufnahme beigesetzter Heilmittel befördert.

Das Öl spielte auch eine wichtige Rolle als Reinigungsmittel, denn der chemische Vorgang der Verseifung war erst dem späten Altertum bekannt. Ein beliebter Vorwurf der antiken Plastik ist der apoxyomenos (der berühmteste stammt von Lysipp): ein junger Mann, der das eingeriebene Öl, das den Staub und Schmutz aufsaugt, mit einem Schabeisen abkratzt: nach unseren Begriffen kein sehr geeigneter Vorwurf für eine künstlerische Behandlung, aber die Alten fanden daran offenbar 599 nichts Unästhetisches. Nach Tische reinigte man sich die Hände (was sehr nötig war, da man sie ja als Eßbesteck gebrauchte) mit Brot oder parfümiertem Ton; Wäsche wurde in fließendem Wasser gespült, was bekanntlich die Prinzessin Nausikaa noch persönlich besorgt. Außerdem verwendete man auch noch Kleie und Sand, Asche und Soda; besonders aber der Bimsstein, kiseris, war ein Universalmittel: Er diente zum Putzen der Zähne, zur Säuberung des Teints, zur Entfernung der Haare und Runzeln, aber auch zur Glättung des Leders, zum Spitzen der Schreibrohre, zum Radieren auf Pergament.

Bekanntlich kochen noch heute die Südländer vorwiegend mit Öl. Die Griechen scheinen vor der Butter geradezu Abscheu gehabt zu haben und haben sie jedenfalls immer ignoriert; trotzdem stammen die Wörter, mit denen sie in den modernen Kultursprachen bezeichnet wird, fast alle vom griechischen butyron, das aber wahrscheinlich ein skythisches Lehnwort ist. Denn die Barbaren im Norden waren fleißige Butteresser; die Thraker führten geradezu diesen Namen: Butyrophagoi. Die Skythen genossen auch sehr viel Pferdebutter, was wiederum uns Widerwillen einflößt. Andere Milchprodukte aber waren in Hellas sehr beliebt. Ziegenkäse war eines der Hauptnahrungsmittel der ärmeren Bevölkerung, aber auch die Wohlhabenden verschmähten ihn nicht, besonders der sizilische galt als Delikatesse. Man veränderte seinen Geschmack durch Würzen und Räuchern; mit der Raspel, die in keiner athenischen Küche fehlen durfte, rieb man ihn in Mus und Gemüse. Schafkäse wurde ebenfalls sehr viel gegessen, am wenigsten Rinderkäse. Auch die Schlagsahne war bereits bekannt: sie hieß aphrogala, »Schaummilch«.

Um sich gegen die landesüblichen Temperaturstürze zu schützen, zog der Festlandsgrieche die Wolle der Leinwand vor; auch sein Sinn für Einfachheit sprach hier mit, denn Leinwandkleidung galt für die weitaus prächtigere. Infolgedessen 600 war der Flachsbau nie sehr bedeutend; Hesiod, der doch landwirtschaftlicher Fachmann war, erwähnt ihn überhaupt noch nicht. Das Produkt selbst war ihnen natürlich längst bekannt: Die Edeln bei Homer schlafen auf seinen Bett-Tüchern und unter kostbaren Zeltdecken; auch Leinwandpanzer tragen sie bisweilen. Hingegen war sowohl das Hemd wie das Polster dem eigentlichen Altertum fremd. Die Benutzung der Gänsefedern zu Kissen ist eine nordische Sitte, die zu den Südländern erst durch die Germanen kam und ihnen noch heute weniger zusagt. Infolge der relativ geringen Rolle, die der Flachs im Haushalt des Altertums spielte, sind zwei der bedeutsamsten Erfindungen erst Kinder der neueren Zeit: das Lumpenpapier und die Ölmalerei.

Der duftreiche rosenblütige Oleander, der als Schmuck der Wasserläufe heute für Griechenland so charakteristisch ist, erscheint erst in der römischen Kaiserzeit. Außerdem fehlten, um nur die wichtigsten Gewächse zu nennen, Orange und Zitrone, Pfirsich und Aprikose, Opuntie und Agave, Tomate und Kartoffel, Reis und Mais. Die verbreitetsten Gemüse waren Linse und Bohne, Rübe und Kohl, Rettich und Lattich, Kürbis und Gurke; diese, eine große, heute nicht mehr gebaute Art, wurde frisch verzehrt, geschmort, gesotten, mit Quitten eingekocht (ein Rezept, das uns verlorengegangen ist), als Salzgurke und Essiggurke zum Braten gereicht. Andere Speisewürzen waren Zwiebel und Knoblauch (eine unerschöpfliche Fundgrube für die Ordinärheiten der Komödie), Kümmel und Senf und das geheimnisvolle Silphion, eine wohlriechende Pflanze, deren junge Stengel und Sprossen als Leckerbissen galten und deren Wurzel einen Saft lieferte, der buchstäblich mit Silber aufgewogen wurde. Sie ist heute verschollen, konnte aber auch bisher mit keinem antiken Gewächs identifiziert werden. Sie wuchs nur in der Kyrenaike, deren Reichtum sie bildete.


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