Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Peisistratos

Abseits stand auch hier natürlich Sparta. Es stiftete den Peloponnesischen Bund, eine Art Militärkonvention, der alle Staaten der Halbinsel bis auf Argos angehörten, und unterstützte im übrigen, wo es konnte, die Aristokratenpartei. Auch Athen hoffte König Kleomenes durch die Restauration des Adels unter spartanischen Einfluß zu bringen. Dort hatte um 560 Peisistratos, ein Mann aus sehr vornehmem Geschlecht, der seinen Stammbaum bis auf Nestor zurückführte, die Alleinherrschaft an sich gerissen. Er besetzte das hochwichtige Sigeion am Hellespont und sicherte damit die Kornzufuhr aus den Pontosgebieten, schuf eine Kriegsflotte, förderte den Ackerbau und Straßenbau, schmückte die Stadt mit großartigen Tempeln und anderen Gebäuden und legte durch die Stiftung der Großen Dionysien, bei denen Chöre und Wechselreden zur Aufführung gelangten, den Grund zur attischen Tragödie. Erst unter ihm erlangte der Kult der Stadtgöttin Athena seine überragende Bedeutung, und daß er daneben auch die lange vernachlässigten Götter der Erdtiefe, zumal die Demeter von Eleusis, wieder zu Ehren brachte, beweist seinen tiefen Instinkt für die Bedürfnisse der Volksseele. Geschützt durch eine feste Burg und eine starke Leibwache, regierte er 692 nach dem Prinzip des aufgeklärten Absolutismus, indem er, wie Aristoteles berichtet, der Ansicht war, die Bürger sollten ihren Geschäften nachgehen und ihm die Sorge für den Staat überlassen. Übrigens hat Aristoteles auch versucht, ein Bild des typischen Tyrannen zu geben, wobei er höchstwahrscheinlich an Peisistratos gedacht hat. Er zählt darin die Mittel auf, durch die ein solcher sich in der Alleinherrschaft zu erhalten vermöge: Schwächung der Starken, Zurückdrängung der Charaktervollen, Überwachung sämtlicher Lebensäußerungen, sogar der wissenschaftlichen Diskussionen, Aufrechterhaltung einer dauernd gedrückten Stimmung, Behorchung durch Spione, gegenseitige Verhetzung, Kriege. Andrerseits wird auch Sorge für das Staatsvermögen, für den Kultus, für das Äußere der Stadt, würdiges Auftreten, Ehrung des Verdienstes zu den Zügen des erfolgreichen Tyrannen gerechnet (dies alles tue er aber mehr zum Schein) und schließlich auch zugegeben, daß er nicht geradezu ein Schurke sein dürfe. Die Schilderung ist zweifellos übelwollend.

Als Peisistratos 527 starb, konnten seine Söhne Hipparch und Hippias ihm unbeanstandet in der Regierung folgen, die sie, wie es scheint, gemeinsam ausübten. Aber dreizehn Jahre später wurde Hipparch von Harmodios und Aristogeiton ermordet, die beide selber umkamen: jener wurde sofort niedergestoßen, dieser fiel durch Henkershand. Ein gleichzeitiges Attentat auf Hippias mißlang, der infolge dieser Vorfälle nun ein wirklicher Tyrann wurde. Nun aber mischte sich Kleomenes ein, indem er mit dem peloponnesischen Bundesheer den Isthmos überschritt und Hippias in der Akropolis belagerte, der gegen freien Abzug die Herrschaft niederlegte und nach Sigeion ging. Dies war im Jahr 510. An die Spitze des Staats trat Kleisthenes aus dem uralten Adelsgeschlecht der Alkmeoniden. Die spartanische Politik erwies sich aber als ein großer Rechenfehler, denn Kleisthenes machte sich gegen seine 693 Standesgenossen zum Sachwalter des Demos. Er gab Athen eine Verfassung, die im wesentlichen die solonische war, gegründet auf Volkssouveränität und Klassenwahlrecht. Abermals intervenierte Kleomenes, aber nur mit vorübergehendem Erfolg, und als auch sein eigener Mitkönig ihm entgegentrat, löste das Heer sich auf. Die Demokratie war gerettet.


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