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Quelle: Artur Fürst, Vortrag: »Der Aufbau des Weltalls«.
Tiefer noch wollen wir eindringen in den Aufbau des Weltalls, das Allerkleinste wollen wir suchen, das letzte allerwinzigste Fügeteilchen, aus dem in immer wechselnder Schichtung das hohe Wunder des Weltalls entstanden ist. Da müssen wir noch weit unter das Molekül hinunter, denn ein Molekül ist durchaus noch kein einheitlicher Körper. Das Molekül der Schwefelsäure zum Beispiel muß, da es dieselben Eigenschaften hat wie die Schwefelsäure selbst, in seinem winzigen Raum alle die Teile miteinander vereinigt enthalten, die zusammen erst Schwefelsäure ergeben. In ihm muß ein Teil Schwefel mit zwei Teilen Wasserstoff und vier Teilen Sauerstoff verbunden sein.
Wenn man auf chemischem Weg das Molekül zerspaltet, so erhält man Atome. Ihre ungeheure Kleinheit galt bis vor nicht langer Zeit als das letzte, eine weitere Teilbarkeit schien ausgeschlossen. Man hielt sie für das Feinste der Materie, aus dem die Welt geschaffen wurde.
Und heute wissen wir, daß auch das Atom ein komplizierter, 219 zusammengesetzter Körper ist. Die Elektrizitätstheorie hat uns gezwungen, Einzelteile eines Atoms anzuerkennen.
Wenn wir durch eine Glasröhre mit stark verdünnter Luft einen elektrischen Strom schicken, so sendet derjenige Pol der Röhre, der mit dem negativen Pol der Stromquelle verbunden ist, die Kathode, Strahlen aus. Was ist nun solch ein Kathodenstrahl? Gewiß kein gewöhnlicher Strom, denn dieser geht ja, wie wir wissen, immer auf dem kürzesten Weg vom positiven zum negativen Pol, während der Kathodenstrahl in der ausgepumpten Röhre stets genau geradeaus läuft, auch wenn der andere Pol, die Anode, irgendwo an der Seite der Röhre angebracht ist. Dieser seltsame Strahl ist auch kein Licht, denn er läßt sich durch ein magnetisches Feld ablenken, und er ist auch keine Schwingung des Äthers. Denn wenn der Kathodenstrahl einen festen Körper auf seiner Bahn trifft, so kann er durch diesen nicht hindurch. Außerhalb der Glaswand der luftverdünnten Röhre ist eine Kathodenstrahlung nicht mehr vorhanden. Es bleibt also nur übrig anzunehmen, daß von der Kathode allerfeinste körperliche Teilchen ausgesandt werden, und zwar sind diese Teilchen negativ elektrisch geladen, wie sich durch Annäherung eines Magneten äußerst leicht feststellen läßt.
Man hat diese kleinen Partikelchen Elektronen genannt. Sie fliegen mit der ungeheuren Geschwindigkeit von etwa 300 000 Kilometern in der Sekunde von der Kathode fort, und wo sie in fürchterlichem Anprall die Glaswand treffen, erzeugen sie höchst seltsame Schwingungen. Das sind die Röntgenstrahlen.
Um die negativ geladenen Elektronen innerhalb des Atoms, dessen Teile sie sein müssen, für gewöhnlich zu binden, muß irgendwo im Atom eine positive Ladung vorhanden sein. Und in der Tat zeigt es sich, daß von der Kathode, wenn man ihre Scheibe mit feinen Kanälen durchbohrt, nach rückwärts positiv geladene Partikelchen ausgesandt werden in den sogenannten Kanalstrahlen. Die Geschwindigkeit dieser Kanalstrahlen ist jedoch viel geringer als die der Kathodenstrahlen, sodaß vermutet werden muß, daß die positiv geladenen materiellen Teilchen viel größer sind als die Elektronen.
Man darf also annehmen, daß sich in jedem Atom ein positiver Kern befindet, um den die negativen Elektronen gelagert sind. Es ist klar, daß die Masse eines Elektrons, dieses Teils des schon so unfaßbar kleinen Atoms, äußerst gering sein muß. Man glaubt, durch Betrachtung von Vorgängen bei der Elektrolyse annehmen zu dürfen, daß sie 1/2000 eines Wasserstoffatoms, des kleinsten aller bekannten Atome, beträgt.
Wie winzig solch ein Wasserstoffatom ist, kann man am besten aus der folgenden vergleichenden Betrachtung erkennen. Denkt man sich auf der einen Seite einer Wage ein Kubikzentimeter Wasser, also soviel wie etwa in einen 220 viertel Fingerhut hineingeht, so muß man, nach der Angabe von Lecher, auf die andere Seite dieser Wage eine Quadrillion – d. i. eine Zahl mit 24 Nullen – Wasserstoffatome legen, damit Gleichgewicht besteht. Von diesem verschwindenden Bruchteilchen der Materie ist also das Elektron der zweitausendste Teil. Die Größe eines Elektrons verhält sich zu der eines Bazillus wie dessen Größe zu derjenigen der ganzen Erdkugel. Der Durchmesser eines Elektrons beträgt nach den Feststellungen von W. Wien drei Billionstel eines Millimeters.
An diese Körper ist ständig Elektrizität gebunden. Sie sind die Träger dieser machtvollen Naturerscheinung. Man kann das Elektron wohl als das Atom der Elektrizität bezeichnen.