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Phryne hieß eigentlich Mnesarete und war ursprünglich arm, gelangte aber zu außerordentlichem Reichtum. Sie durfte mit der Schönheitsgöttin selbst in Wettbewerb treten, so wie deren Bild den größten Künstlern des klassischen Altertums vorschwebte. Phryne diente dem Praxiteles als Vorbild für dessen berühmte Aphrodite von Knidos und dem Apelles für dessen Anadyomene. Als sie vor dem höchsten Gerichtshof wegen Religionsfrevels angeklagt war, übernahm Hyperides ihre Verteidigung und setzte ihre Freisprechung durch, indem er vor versammelten Richtern ihren Busen entschleierte und dadurch sozusagen ihre eigene Göttlichkeit aktmäßig bewies. Ihrem Reiz konnte angeblich kein Lebender widerstehen; nur der Philosoph Xenokrates wurde nicht überwunden, wonach man also auch den Xenokrates als ein gänzlich vereinzeltes Wunder anzusprechen hat.
Aber auch Phryne wurde noch übertroffen durch ein anderes Meisterwerk der Natur. Denn das Ideal des Praxiteles mußte doch wenigstens persönlich gegenwärtig sein um zu wirken: die schöne Lais aber, die Korintherin, konnte auch abwesend die höchste Leidenschaft entzünden. Der gefeierte Bildhauer Skopas hatte nach ihr eine Venus geformt, die nach Aspendus in Pamphylien geriet und dort in der Kunsthalle eines reichen Manns aufgestellt wurde. Chariton, sein einziger Sohn, ein Jüngling von siebzehn Jahren, hatte das Schicksal, durch den Anblick der marmornen Göttin in eine Liebesraserei zu verfallen, die zuletzt in wirklichen Wahnsinn und unheilbare Tollheit ausartete. Hieraus entwickelte sich ein Roman, der von Wieland im »Aristipp« ausführlich behandelt ward und für alle Zeiten ein unvergängliches Hohelied auf jenes Schönheitswunder bleiben wird. 381