Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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251. Ein Spaziergang auf dem Mond

Quelle: Professor Dr. Julius Franz: »Der Mond«, 90. Bändchen der Sammlung »Aus Natur und Geisteswelt«. Verlag B. G. Teubner, Leipzig, 1906. Z.

Wir schließen für einen Moment die Augen. Und schon haben des Geistes Flügel, zu denen wahrlich so leicht kein körperlicher Flügel sich gesellen wird, uns auf den Mond getragen.

Wir schauen uns um. Fremdartig sieht die Landschaft aus, die einen stark gebirgigen Charakter zeigt. Steil steigen überall die runden Wälle der großen Kraterberge auf, die mit hohen Spitzen besetzt sind. Wir beginnen, einen von ihnen zu erklettern, und sind erstaunt darüber, mit welcher Leichtigkeit wir hier emporklimmen können. Im Sprungschritt geht es aufwärts, denn die Schwere auf dem Mond beträgt nur ein Sechstel der Erdenschwere. Von einem der Gipfel bietet sich uns eine weite Aussicht.

Nirgends sehen wir schlammige, lehmige, schmutzige Ackererde, staubigen Sand. Überall blinkt uns der nackt anstehende Fels entgegen. Herrliche Kristalle glänzen auf den hellen Gipfeln, schimmernd in ihrer natürlichen Farbenpracht. Denn eine Verwitterung der Felsen, eine Auflösung und Zerreibung in Sand, wie sie auf der Erde unter dem Einfluß der Niederschläge und der Winde eintreten, ist auf dem Mond ausgeschlossen. Er besitzt ja weder Wasser noch eine Atmosphäre, die auf der Erde ihre immerwährende zerstörende Tätigkeit ausüben. Wir können darum auch ganz sicher sein, bei unserm Spaziergang günstiges Wetter vorzufinden. Denn bei dem völligen Mangel an Luft und Wasser können auf dem Mond Wind, Sturm, Nebel, Wolken, Regen, Reif, Schnee, Hagel und Gewitter nicht vorkommen.

Und welch ein prächtiges Arbeitsfeld bietet sich denjenigen unter uns, die an astronomischen Dingen interessiert sind. Professor Franz gibt davon die folgende Darstellung:

350 „Bei Nacht sehen wir die unzähligen Sterne auf völlig schwarzem Grund ebenso gruppiert wie auf Erden. Alle Sternbilder sind in derselben Weise vorhanden. Auch die Planeten erscheinen in nur wenig veränderter Lage und in derselben Größe. Aber alle Sterne, auch die kleinsten, bleiben bis zum Horizont hinab ungeschwächt und ohne jedes Flimmern in ruhigem Licht sichtbar. Sie scheinen fast still zu stehen, denn dreißigmal so langsam wie auf Erden gehen sie auf und unter, dreißigmal so langsam wie bei uns dreht sich der Sternhimmel um die Achse der Mondpole.”

Und nun nähert sich die Mondnacht, die für jeden Punkt der Mond-Oberfläche 14,8 Erdentage währt, wieder ihrem Ende.

„Ha! Was ist das? Plötzlich erscheint ein heller Punkt, schon ein heller Fleck neben uns am Himmel; es ist die Spitze eines Bergs. Die aufgehende Sonne, durch keine Dämmerung, keine Morgenröte angekündet, hat sie erreicht. Langsam wächst der helle Fleck, die schon beleuchtete Bergspitze, nach unten, und andere tauchen neben ihr hell am Himmel auf, während der Fuß des Bergs und alle Täler noch in schwarzen Schatten ruhen. Ja dieser Schatten ist, da keine Lufthülle diffuses Licht verbreitet und keine Spur von Dämmerung vorhanden ist, so tiefschwarz, daß die Gelände, auf denen er ruht, unsichtbar, nicht vorhanden erscheinen. Dort, wo Licht und Schatten aneinander grenzen, würde man beim Übergang zum Schatten in einen Abgrund zu treten vermeinen.

Sehr, sehr langsam steigt die strahlende Sonne am Horizont herauf. Sie ist nicht matt und rot, sondern sogleich weißer und blendender denn je auf Erden. Allmählich sieht man die Schatten der Wälle und ihrer Gipfel sich vom Boden abheben und langsam sich verkürzen. Zugleich enthüllt die Sonne immer mehr von der steinernen Pracht und den funkelnden Edelkristallen. Sie erwärmt schon den Boden, der, durch keinen Atmosphärenmantel geschützt, sich in der Nacht bis unter 100 Grad, ja bis unter 200 Grad Kälte abgekühlt hatte.

Wir sehen vom Mond aus die Sonne durchschnittlich unter demselben Durchmesser wie auf Erden, aber noch heller hebt sie sich vom sammetschwarzen Firmament ab, und neben ihr sieht man auch bei Tage die ganze Schar der Sterne, wenn man sich nur so stellt, daß die Sonne nicht blendet. Denn die Bläue des Himmels fehlt. Sie rührt ja auf der Erde nur von der Luft und den in ihr schwimmenden Staubteilchen her. Stets bleibt der Himmel und mit ihm die Sonne unbewölkt, und ihre sengenden Pfeile steigern die Bodentemperatur besonders in den Äquatorlandschaften des Monds allmählich um mehrere hundert Grad. Senkt sich endlich nach zwei Wochen die nie bewölkte Sonne zum Untergang, so treten wieder völlig schwarze Schatten neben hellbeleuchtetem Gelände auf. Zuletzt werden nur noch die höchsten Berggipfel beleuchtet, sie 351 erscheinen wie Lichtinseln am Firmament, und dann versinkt alles für zwei Wochen in kalte Nacht.”

Wenn wir bei unserm Spaziergang auf dem Mond Glück haben, erleben wir in unserer Nähe auch den Einschlag eines größeren Meteors. Das Phänomen sieht hier ganz anders aus als auf unserm Stern. Denn die aus dem Weltenraum in den Anziehungsbereich der Erde gelangenden Gebilde werden von dem Luftmantel wie von einem elastischen Medium aufgefangen. Beim Fall durch die Atmosphäre wird ihre planetarische Geschwindigkeit stark gehemmt, und sie verdampfen und verbrennen meist schon, ohne den Boden zu erreichen.

„Auf dem Mond müssen dagegen alle diese aus dem Weltenraum stammenden Körper ungehemmt mit ihrer ursprünglichen Geschwindigkeit aufstoßen. Sie langen dort dunkel und kalt an und müssen tiefe Löcher in die Oberfläche schlagen und in sie eindringen, indem sich der plötzlich gehemmte Stoß in hohe, aber auf die unmittelbare Umgebung begrenzte Wärme umsetzt. Manche Schriftsteller haben in ihnen die Ursache der Kraterbildung auf dem Mond erblickt.”


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