Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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259. Neue Sterne

Quelle: Bruno H. Bürgel: »Aus fernen Welten«. Verlag Ullstein & Co., Berlin, Wien, 1910. – Felix Linke: »Kann die Erde untergehen?« Verlag von J. H. W. Dietz Nachf., Stuttgart, 1911.

Am 29. Februar 1901, zwei Stunden nach Mitternacht, saß der Amateurastronom Anderson, ein schottischer Geistlicher, an seinem Fernrohr und beobachtete den Himmel. Plötzlich erblickte er in der ihm wohlbekannten Stickerei auf schwarzsamtenem Grund etwas Überraschendes. An einer Stelle, die leer gewesen, stand ein neuer Stern, der bis dahin nicht vorhanden war.

Bald wurde von vielen Seiten bestätigt, daß es sich wirklich um eine neue Himmelserscheinung handelte. Hartwig in Bamberg hatte dieselbe Gegend wenige Stunden zuvor beobachtet und erklärte es für ausgeschlossen, daß er einen so hellen Stern hätte übersehen können. Eine photographische Aufnahme, die Stanley Williams einen Tag zuvor gemacht hatte, zeigt von dem Stern ebenfalls keine Spur, obwohl die dreiviertelstündige Belichtung seiner Platte selbst ganz lichtschwache Sterne verzeichnet hatte. Innerhalb weniger Stunden also war die Nova (eigentlich nova stella = neuer Stern) entstanden und von nicht einmal teleskopischer Größe zu bedeutender Helligkeit angewachsen. Aber der Stern wurde noch heller und übertraf in der nächsten Nacht fast alle andern; er war am 23. Februar 1901 der dritthellste Stern am Himmel. Aber bald nahm die Helligkeit wieder ab; langsam bildete sich das Phänomen zu einem lichtschwachen Pünktchen zurück. Da dieser Stern, die bisher best beobachtete Erscheinung ihrer Art, im Sternbild des Perseus auftauchte, so heißt er in der Sprache der Astronomen Nova Persei.

Sicherlich ist das Auftauchen eines neuen Sterns am Himmel etwas ganz ungeheuerliches. Der Vorgang vermag seine Ursache nur in einem kosmischen Geschehnis zu haben, das an Großartigkeit und Furchtbarkeit durch nichts anderes übertroffen werden kann. Es spricht darum nichts deutlicher für die uns ganz unfaßbaren Dimensionen im Himmelsraum, als daß solche Neuerscheinungen garnicht etwas so seltenes sind.

In alten Chroniken wird vielfach über das Aufflammen neuer Sterne berichtet. Eine im Jahre 123 n. Chr. im Sternbild des Skorpion aufgetauchte Nova veranlaßte den griechischen Astronomen Hyparchos zur Anfertigung eines Sternkatalogs, um mit dessen Hilfe festzustellen, ob das Erscheinen dieser Sterne etwas seltenes sei. Zahlreich sind die Mitteilungen fast aus allen folgenden Jahrhunderten. Am 10. Oktober 1604 entdeckte ein Schüler Keplers im Sternbild des Schlangenträgers einen neuen Stern, »heller als Jupiter, aber nicht so hell wie die Venus«. Kepler hat sich lange und eingehend mit ihm beschäftigt; er verschwand nach 16 Monaten wieder spurlos.

Das großartigste Begebnis dieser Art aber ist das Auftauchen von Tycho 369 Brahes neuem Stern. Als der dänische Astronom Tycho Brahe, neben Kepler der bedeutendste Himmelsforscher seiner Zeit, am 11. November 1572 über den Hof seines Observatoriums zu Heridsvad schritt, bemerkte er hoch am Himmel einen Stern von ganz außerordentlichem Glanz, der nie zuvor dort gestanden hatte. Er wurde so hell, daß man ihn sogar am Tag um die Mittagszeit mit bloßem Auge sehen konnte. Tycho glaubte zuerst an eine Selbsttäuschung. Dann aber hat er den neuen Stern sehr genau studiert und uns wertvolle Aufzeichnungen darüber hinterlassen. Nach einigen Wochen wurde der Glanz des Sterns geringer, und er verschwand nach 17 Monaten gänzlich. Auch heute vermögen wir trotz unserer ausgezeichneten Fernrohre keine Spur von ihm wahrzunehmen.

Wodurch werden nun diese wunderbaren himmlischen Brände entfacht? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Entweder stoßen zwei dunkle Himmelskörper zusammen, deren es ja viele im Weltenraum gibt, wobei durch die plötzliche Hemmung der Bewegung genug Wärme erzeugt wird, um das neue Gebilde aufleuchten zu lassen. Oder ein dunkler Himmelskörper gerät in einen der weit ausgebreiteten kosmischen Nebel hinein, zieht dessen Teilchen mit ungeheurer Geschwindigkeit an sich und bringt sie durch den Aufprall auf seine Oberfläche zum Leuchten.

Wenn zwei Himmelskörper aufeinanderstoßen mit der Folgeerscheinung, daß ihre bis dahin feste Materie in dünnen Nebel – oft von spiraliger Natur – aufgelöst wird, dann legt der Untergang von Welten gleich wieder den Grundstock zur Entstehung neuer Welten, die ja, wie wir heute annehmen, in den kosmischen Nebeln ihren Anfang nehmen. So herrscht auch im unendlichen Raum ein ewiges Werden und Vergehen; auch im Dasein der Welten mag es eine aufsteigende Entwicklung geben wie unter den Geschöpfen der Erde.


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