Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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219. Das Pendel im Weltenraum

Quelle: Bruno H. Bürgel: »Aus fernen Welten«. Verlag Ullstein & Co., Berlin, Wien, 1910. Z.

Heutzutage leuchtet es jedem Tertianer ohne weiteres ein, daß die Erde sich in 24 Stunden einmal um sich selbst dreht. Aber bevor Kopernikus seine in jedem Betracht weltbewegende Lehre aussprach, schien es ein ganz unfaßbarer Gedanke, daß der Erde Grund nicht etwas im Weltenraum absolut Feststehendes sein sollte. Man hatte die heute geradezu absurd erscheinende Vorstellung, daß der ungeheure Sternenhimmel sich an jedem Tag einmal um die Erde herumschwänge. Denn das mußte doch geschehen, weil die Fixsterne nach 24 Stunden immer wieder an demselben Ort stehen. Wenn man die ungeheuren Entfernungen der Fixsterne von der Erde in Betracht zieht, so mußte dieser Umlauf mit einer Geschwindigkeit erfolgen, die selbst innerhalb der kosmischen Dimensionen etwas abenteuerliches hat. Da ist es doch wirklich einfacher, das an sich so seltsame anzunehmen, nämlich daß die Erde sich dreht, und der Sternenhimmel ihr gegenüber in Ruhe ist.

Aber hierbei handelt es sich ja heute garnicht mehr um eine Annahme. Unzählige astronomische Beobachtungen beweisen die Rotation der Erde, und, was noch viel schöner ist, man kann sie sogar direkt dem Auge sichtbar machen.

Alles Materielle auf Erden macht die Drehung des Planeten mit, kann also nicht zu ihrem Nachweis dienen. Doch glücklicherweise gibt es auch Immaterielles, was wir sehen können, und dies vermag im Weltenraum zu ruhen. Solch ein immaterielles Ding, das unser Auge aufzufassen vermag, ist z. B. die Schwingungsebene eines Pendels. Eine solche ist benutzt worden, um in einer der großartigsten Demonstrationen die Erdrotation aufs deutlichste nachzuweisen.

Wenn man ein Pendel frei beweglich aufhängt, so behält es, einmal 306 angestoßen, die Richtung seiner Schwingung bei, auch wenn man den Aufhängungspunkt herumdreht. Je länger das Pendel ist, desto sicherer schwingt es unverändert im Raum. Ist der Aufhängungspunkt drehbar an der Decke irgend eines Raums befestigt, so dreht sich die Decke zwar mit der Erde herum, die Schwingungsebene des Pendels aber bleibt unverändert im Weltenraum stehen. Der französische Physiker Léon Foucault ließ im Jahre 1851 für seinen berühmten Versuch in der hochragenden Kuppel des Pantheons zu Paris ein mächtiges Pendel aufhängen, das aus einem Draht von 67 Metern Länge und einer daran befestigten Metallkugel von 25 Kilogramm Gewicht bestand. Unter dem Pendel war eine wagerechte Kreisscheibe aufgestellt, an deren Einteilung man die Schwingungsrichtung des Pendels deutlich verfolgen konnte. Zu jeder Schwingung brauchte das Riesenpendel acht Sekunden.

Viele Gelehrte und eine große Volksmenge wohnten dem Versuch in der prächtigen Halle des Pantheon bei. Und es war eine tiefe Offenbarung, die plötzliche feierliche Eröffnung eines Blicks in das geheimnisvolle Triebwerk der Natur, als das Pendel schon nach wenigen Minuten deutlich nach Westen hin abwich, und so vor aller Augen die Achsdrehung der Erde von West nach Ost veranschaulichte. Foucault hatte vorher einen Punkt auf der Scheibe angemerkt, den die Pendelspitze, entsprechend der fortschreitenden Drehung der Erde, nach einer bestimmten Zeit berühren mußte; das traf denn auch zur nicht geringen Befriedigung der Anwesenden genau ein.

Dieser ebenso einfache wie überzeugende Versuch mit dem im Weltenraum unbeirrt schwingenden Pendel ist seitdem oft wiederholt worden. Er ist wohl geeignet, jeden Zweifler an der Umdrehung der Erde, den es vielleicht noch geben sollte, endgültig zu überzeugen.


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