Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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232. Aschen- und Steinregen

Quelle: Dr. Hippolyt Haas: »Die vulkanischen Gewalten der Erde und ihre Erscheinungen«, 38. Bändchen der Sammlung »Wissenschaft und Bildung«. Verlag Quelle & Meyer, Leipzig, 1909. Z.

Bei vulkanischen Ausbrüchen schießt aus dem Krater des Bergs oft eine riesige Dampf- und Aschenwolke heraus. Ihre Wirkung auf die Umgebung ist sehr erstaunlich. Der jüngere Plinius hat in seiner Beschreibung des Vesuvsausbruchs diese Erscheinung mit den sich ausbreitenden Zweigen einer Riesenpinie verglichen, und nach diesem treffenden Vergleich nennen wir sie noch heute.

„Je nach der Stärke der stattfindenden Explosionen im Vulkankrater kann diese Dampf- und Aschenpinie in sehr beträchtliche Höhen hinaufgeschleudert werden. Die Aschensäule bei dem Ausbruch des Krakatau auf den Sundainseln im Jahre 1883 soll bis zu 11 000 Meter, nach Anderen sogar bis zu 30 000 Meter in die Lüfte aufgestiegen sein, und bis zu 13 000 Meter 324 diejenige des Tarawera auf Neuseeland bei seiner Eruption von 1886. De Lorenzo schätzt die Höhe, bis zu der die Aschen- und Dampfwolken beim Ausbruch des Vesuv im April 1906 hinausgetragen wurden, auf 21 bis 22 000 Fuß und noch mehr!

Unter fortwährenden heftigen Explosionen werden Gasballen um Gasballen, geschwängert von feinen, aber auch von Auswurfsmassen größerer Dimensionen herausgeschleudert. Der feinste Aschenstaub steigt begreiflicherweise am höchsten und wird dann in den großen Höhen nicht selten von den Oberströmungen der Atmosphäre erfaßt und von diesen weit fortgetragen. So sind die feinsten, vom Krakatau aus dem Erdinnern geförderten Aschenteilchen zweimal um die ganze Erde geführt worden, und die älteren der Leser werden sich noch der eigentümlichen Dämmerungserscheinungen erinnern, die im Jahre 1883 dadurch hervorgerufen worden sind. Das von dem Aschenregen aus dieser Eruption betroffene Gebiet wird aus 750 000 Quadratkilometer geschätzt. Im weiten Umkreis um die Eruptionsstelle wurden also Festland und Ozean von den ausgeschleuderten Aschen- und anderen losen Auswurfsmassen bedeckt.

Beim Ausbruch des Vesuv im Jahre 512 wurde die Asche bis Konstantinopel hingeführt und fiel auch in Nordafrika nieder; hier sind von Eruptionen des Ätna herrührende Aschenregen schon häufiger beobachtet worden. Im Jahre 1875 erlebte Stockholm das Schauspiel einer solchen Erscheinung, die auf die gleichzeitige Eruption des 1900 Kilometer davon gelegenen isländischen Feuerbergs Askja zurückzuführen war. Asche von der Eruption des Vesuv im Jahre 1906 ist von den Luftströmungen bis an die Ufer der Ostsee getragen worden, hat also einen Weg von 1500 Kilometern zurückgelegt, und durch die Untersuchungen von R. Brauns ist unzweifelhaft festgestellt worden, daß sie wirklich vom Vesuv stammte.

Ganz ungeheuer groß ist zuweilen die Menge der geförderten Aschenmassen bei den vulkanischen Eruptionen. An 18 Kubikkilometer Asche und andere Materialien hat der Krakatau anläßlich seines erwähnten Paroxysmus im Jahre 1883 in die Lüfte gewirbelt, von denen etwa 12 Kubikkilometer in einem Umkreis von 12 Kilometern um den Vulkan niederfielen und hier den Boden und das Meer mit einer 0,20 bis 0,40 Meter starken Schicht bedeckten. In der Nähe des Krakatau schwamm eine aus Bimssteinen bestehende, 30 Kilometer lange und über 1 Kilometer breite, 3 bis 4 Meter mächtige Barre umher, welche die Einfahrt zur Lampong-Bay abschloß.

Wenn die Schätzungen Junghuhns über die vom Timboro auf der Insel Sumbawa (Sunda-Inseln) bei seiner denkwürdigen Eruption vom April 1815 herausgeschleuderten Auswurfsmaterialien richtig sind, so müssen die Leistungen 325 des Krakatau weit dagegen zurückstehen. Bei diesem Paroxysmus, einem der schrecklichsten und großartigsten, von denen die Geschichte der Vulkane überhaupt zu erzählen weiß, sollen an 150 Kubikkilometer loser Massen ausgeschleudert worden sein – nach Anderen sogar an 300 Kubikkilometer! Mercalli hat berechnet, daß fünf derartige Eruptionen genügen würden, um einen Berg, größer als der Ätna aufzutürmen. 12 000 Menschen kamen auf der Insel Sumbawa allein durch den Aschenregen um, und auf der mehr als 120 Kilometer davon entfernten Insel Lombock erlitten 40 000 weitere den Hungertod, weil die 60 Zentimeter mächtige Aschenschicht, von der dieses Eiland bedeckt wurde, die ganze Ernte vernichtet hatte.

Das Gedächtnis an diese »Schreckensnacht der Aschen« ist heute noch auf den Sundainseln lebendig.”


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