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Schrenck-Notzing (1862-1929)

Mit seinem Tode ist die Mittelsäule des lustigen Tempels eingestürzt, dessen Gemeinde ihn ›Okkultismus‹ nennt und behauptet, darin werde Wissenschaft getrieben. Ich habe Schrenck-Notzing als blutjungen geistesgesunden Arzt gekannt, habe später mit Verwunderung gesehen, wie er der Unwissenschaft zum Opfer fiel, habe seine Bücher, die Berichte über seine erstaunlichen Versuche und Sitzungen gelesen und schreibe jetzt nieder, was ich all die Zeit über gedacht habe, wo Schrenck in München sein Wesen trieb.

Er ist für mich ein Musterbeispiel dafür, daß Gelehrsamkeit und Verstand, Wissen und Denken in keinem zwingenden Verhältnis zueinander stehen. In der ganzen übrigen Welt ist man längst überzeugt, daß ein Mann sehr gelehrt, aber zugleich sehr dumm sein kann; in Deutschland weiß man das natürlich auch, denn solche obenauf liegende Wahrheit kann nicht dauernd unterdrückt, übersehen werden. In Deutschland aber sträubt man sich gegen die Einsicht, daß ein staatlich vielgeprüfter, betitelter, nun gar ein festbesoldeter Wissenschafter dumm sein könne. Den nicht festbesoldeten, mich z. B., gibt man preis; der festbesoldete bleibt der Mann der Wissenschaft, selbst wenn seine Unwissenschaftlichkeit erwiesen ist. In diesem Buch wird an mehr als einer Stelle davon gesprochen.

Der Dr. Freiherr von Schrenck-Notzing war nur ein freier Nervenarzt, kein Staatsbeamter seiner Wissenschaft; aber die Männer, die seinen durchaus unwissenschaftlichen Versuchen beiwohnten und unwissenschaftliche Berichte darüber schrieben, waren zum größten Teil staatlich beglaubigte, festbesoldete Beamte der Wissenschaft. Wer sich belehren will, bis in welche Abgründe der Dummheit Männer versinken können, die, mit allen Titeln der Wissenschaft geschmückt, immer im Namen der Wissenschaft zu sprechen vorgeben, der lese das von Schrenck herausgegebene Buch ›Experimente der Fernbewegung‹ (Telekinese, 1924): es ist von der ersten bis zur letzten Seite eine Sammlung lächerlicher, zugleich abstoßender Unwissenschaftlichkeit, begangen von Schrenck, unterstützt von Professoren, Doktoren, Direktoren wissenschaftlicher Lehrstühle und Anstalten. Nicht ein einziges der Dutzende von geschilderten ›Experimenten‹ war wissenschaftlich; aber jedes wurde von Männern der Wissenschaft beglaubigt; von jedem wurde versichert, daß jede Möglichkeit eines Betruges ausgeschlossen, daß alles nach den strengsten Forderungen der Wissenschaft vor sich gegangen war. Dabei steht fest, geht aus den Berichten selbst hervor, wird von ganz vereinzelten wirklich wissenschaftlichen Beobachtern bezeugt, daß kein einziger Versuch unter Ausschluß der bequemsten Betrugsmöglichkeiten stattgefunden hat. Die vereinzelten Beobachter, die von der Möglichkeit des Betruges in ihren Berichten sprachen, wurden zu keinem weitern Versuch zugelassen.

Die von Schrenck Jahre hindurch mit den gerissenen Schwindlern und Schwindlerinnen, die sich vornehm Medien nennen, angestellten Versuche galten allgemein als die strengwissenschaftlichsten ihrer Gattung. Nun wohl: Schrenck hat in seinem langen Leben niemals einen wahrhaft wissenschaftlichen Versuch vorgenommen. Er hat zu allen Zeiten jede Forderung zurückgewiesen, die dahin ging, seine Versuche unter Bedingungen zu veranstalten, die in der Tat nach menschlichem Ermessen jede Möglichkeit der Täuschung durch das Medium ausschlossen. Alle seine Versuche waren wertlose Spielereien; alle Berichte darüber sind Beweise für die Leichtigkeit, mit der listige Betrüger die dünkelhaftesten Gelehrten hinters Licht führen können. In jedem der Schrenckschen Versuche ist gemogelt worden, und diese Mogeleien sind hinterher von betitelten Männern der Wissenschaft als ›Resultate der Parapsychologie‹ bestaunt worden.

Das Lustigste in Schrencks Büchern ist ein Lichtbild: das Medium liegt im tiefsten Tran – so gebe ich stets den ›Trance‹ wieder –, um ihn herum die beobachtenden Professoren – Psychologen, Physiologen, Biologen, Anthropologen usw., es ist zum Schreien drollig. Der Ast, den sich das verschmitzte Medium innerlich über die unbetrügbare Schläue aller der ›Logen‹ lacht, ist leider auf dem Lichtbilde nicht zu sehen.

Alle Versuche Schrencks fanden bei ›abgeblendetem Rotlicht‹ statt, waren also sämtlich – der Berliner sagt: Mumpitz. Über diesen Mumpitz verfaßten die ›Logen‹ ihre Berichte, deren einzige Wissenschaftlichkeit in den großartigen Fremdwörtern besteht. Das war durchaus stilgerecht, denn über Schwindel kann man nicht in ehrlichem Deutsch schreiben. ›Physikalische Phänomene des Mediumismus – mediumistische Teleplastie – Materialisationsphänomene – Parapsychophysik – prolongierte teleplastische Effloreszenz‹ – brecherisch!, wie Vischer in solchen Fällen sagte. Alle Berichte lesen sich wie die über die Hexenfolterungen früherer Jahrhunderte: ebenso wissenschaftlich wie die Aussagen der gepeinigten Hexen. Alle ›experimentierenden Kontrollpersonen‹ haben die erstaunlichsten Wunderdinge bei dem abgeblendeten Rotlicht gesehen, alle Professoren; nur ein Nichtprofessor, ein nicht staatlich festbesoldeter freier Schriftsteller, der wohlbekannte Graf von Klinckowström, der sich nicht von Zahnbrechern, Beinkünstlern, weiblichen Gaunern hat betrügen lassen, berichtet, wie es in Wahrheit mit den Sinneswahrnehmungen in der Dunkelheit zugegangen ist: ›Eine exakte Beobachtung der dargebotenen Phänomene war wegen der herrschenden Dunkelheit unmöglich; bei dem sehr schwachen Rotlicht kann sich der Beobachter sowohl hinsichtlich der wahrzunehmenden Bewegungen wie auch hinsichtlich der Entfernungen und der Abschätzung des Raumes, innerhalb dessen sich die Phänomene abspielen, leicht täuschen, wozu noch die Ermüdung der Augen bei der langen Dauer der Sitzung wesentlich beiträgt.‹

Die ›assistierenden‹ Professoren haben in der Dunkelheit wundervoll gesehen, für sie ist ›jede Möglichkeit einer Täuschung ausgeschlossen‹. Unwillkürlich denkt man an Goethes hartes Wort: ›Einem Gelehrten von Profession traue ich zu, daß er seine fünf Sinnen ableugnet‹ (an Merck, 8.4.1785).

Nach dem ungeheuren Wust von ›spiritistischen‹ und ›telekinetischen‹ Sitzungen mit Medien im Tran, über die ich die Berichte von Gläubigen und Ungläubigen gelesen, spreche ich es als meine wohlerwogene unerschütterliche Überzeugung aus: es hat in den 70 Jahren, die der Geisterschwindel jetzt schon dauert, in den tausenden von Sitzungen und ›Experimenten‹ gelehrter und ungelehrter Dummköpfe nicht ein einziger Versuch unter wissenschaftlichen Bedingungen stattgefunden, – nicht ein einziger. Alle Versuche geschahen unter den von den betrügerischen Medien vorgeschriebenen Bedingungen, deren jede den Betrug ermöglicht und begünstigt; jede Bedingung, die einen Betrug ausschließt, wurde von den Medien und den Versuchsleitern abgelehnt.

Der einzige wahrhaft Wissenschaftliche und ›Exakte‹ in den Versuchssitzungen ist das Medium. Die Fülle dessen, was dieser oder diese an Psychologie, Psychophysik, Parapsychologie, Parapsychophysik zu wissen und anzuwenden hat, ist staunenswert. Nimmt man dazu die künstlerische Ausbildung des Körpers, besonders der Beine – mit diesen wird hauptsächlich ›gearbeitet‹ –, so muß man sagen, die armen Mediumsen verdienen sich ihr nicht sehr reichliches Brot mit schwerer Mühe.

Sorge um Entlarvung brauchen sie nicht zu hegen. Sie sind alle mehr als einmal entlarvt worden, wann sie es gar zu frech oder gar zu leichtsinnig getrieben, oder wo ein Beobachter kräftig dazwischengegriffen hatte. Bei Schrenck war das ausgeschlossen, denn jeder Teilnehmer mußte sich ehrenwörtlich verpflichten, nicht zuzugreifen und nichts zu tun, was zu einer Entlarvung hätte führen können. Und alle jene Geheimräte, Professoren, Doktoren, Direktoren haben ihr Ehrenwort gegeben und gehalten. Wurde trotzdem ein Medium auf grobem Betruge ertappt, so schadete das weder dem Medium noch der Geheimgeisterei des Okkultismus das geringste. Zwei entschuldigende Erklärungen waren stets zur Hand und dienen bis heute: entweder, diesmal wollte der Geist durchaus nicht über das Medium kommen, und um die Herren Wissenschafter nicht vergebens bemüht zu haben, hat das gutmütige Medium ein bißchen gemogelt, wogegen doch nichts zu sagen ist; oder es befand sich unter den Assistierenden einer mit Verdacht – es gibt so schlechte Menschen –, und der Gedanke dieses Einen, das Medium könne vielleicht betrügen, übertrug sich mittels der Händekette der Teilnehmer mit solcher Allgewalt auf das unschuldige Medium, daß er sich in dessen ›psychischem Komplex‹ umwandelte in den Willen: betrüge!

Man sieht, unter solchen Umständen ist eine entscheidende Entlarvung nie herbeizuführen. Die zehnmal entlarvte großartigste Geisterschwindlerin aller Zeiten, die wahrhaft ›phänomenale‹ Eusapia, mit der auch Schrenck seine Späße getrieben, besaß eine entzückende Geschicklichkeit im Entlarvtwerden, hat aber bis an ihr seliges Ende in Geistererscheinungen, Telekinese, Teleplasma, Levitation und allen andern ›Branchen‹ des Okkultismus mit ungeminderten Erfolge gearbeitet.

*

Ich glaube nicht, daß Schrenck absichtlich betrogen hat oder betrügen wollte. Vielleicht darf man sagen: er hat, absichtslos, sich selbst betrogen und so sein ganzes Wissenschaftsleben vernichtet. Nicht eine wissenschaftliche Tatsache hinterläßt der rastlose Forscher, es sei denn die: bei seiner Art, wissenschaftliche Versuche vorzunehmen, kann und wird bis in alle Ewigkeit nie etwas andres zutage kommen als Lug und Trug. Er hat genau so unwissenschaftlich gearbeitet wie alle Spiritisten, Telekinisten, Mediumisten vor ihm: er ließ sich die Bedingungen aller seiner Versuche von dem Medium vorschreiben, wies jeden Vorschlag zur Sicherung gegen Betrug zurück und glaubte an die ›Phänomene‹, auf Deutsch: Schwindeleien, die solchermaßen verfertigt wurden. Er ist ein Menschenalter hindurch das kindlich leichtgläubige Opfer von Betrügern gewesen; hieran wird durch seinen hochfahrenden Eigensinn garnichts geändert. Man denke: es war augenscheinlich, selbstverständlich, daß das betrügerische Medium die ›Telekinese‹ – die Verschiebung des Stiftes einer Spieldose – mit den Zehen bewirkte: die Spieldose durfte nie weiter als 1 Meter entfernt stehen. Wiederholt wurde ihm vorgeschlagen, sein Medium mit Schnürschuhen, nicht mit leicht abzustreifenden Pantöffelchen arbeiten zu lassen. Schrenck lehnte ab, weil sein Medium erklärte, in Schnürschuhen könne es oder er seine überirdische telekinetische ›Fluidumsenergie‹ nicht entfalten. Schrenck fügte sich seinem Medium, das in Schnürschuhen nicht betrügen konnte, machte trotzdem seine spielerischen Versuche, erklärte sie für ›wissenschaftlich‹ und glaubte an sie. Selbst als der süße Willy, das Übermedium, auf das er baute, dem er ganze Bände seiner wertlosen Schriften gewidmet, in Wien entlarvt wurde, machte das den verblendeten Schrenck nicht sehend. Er blieb dabei: ›Was beweist das? – darum stehen doch meine Versuche mit ihm unerschüttert da, denn bei mir ist er nicht entlarvt worden.‹ Weil er nicht geduldet hatte, daß er entlarvt würde, und weil er Dummköpfe in Menge gefunden, auch solche mit den schönsten Wissenschaftstiteln, die ebenfalls an die Wissenschaft in abstreifbaren Pantoffeln glaubten, darunter Professoren der Psychologie. Seltsam, daß wir bis heute kein Lehrbuch haben: ›Die Psychologie der Dummheit.‹

Der ganze Dunkelmunkel – dies ist mein gut Deutsches Wort für das blöde ›Okkultismus‹ – steht und fällt mit dem Versuch, d. h. er steht mit dem unwissenschaftlichen, er fällt in den schwindeltiefen Abgrund des Nichts mit dem wissenschaftlichen Versuch. Er fristet sein Leben – bei unwissenschaftlich denkenden Menschen – vom unwissenschaftlichen Versuch. Ich bin bereit, alles, auch das nie zuvor Erlebte, auch das gemeinhin Unglaubliche, das jeder bekannten Wissenschaft Widerstreitende zu glauben, wenn mir die Wahrhaftigkeit, die Ehrlichkeit, die wissenschaftliche Lückenlosigkeit aller Bedingungen eines Versuchs und seiner Ergebnisse unwiderleglich bewiesen wird. Alles Streiten für und wider den Dunkelmunkel ist nutzlos, solange der geringste Zweifel an der Strenge des Versuches bleibt.

Obenan steht die von jedem Medium gestellte Bedingung der Dunkelheit. Ihre angebliche überirdische Kraft – ›Paraphysik, Telekinese, Levitation, Materialisation‹, und wie sonst die Schwindelwörter dieser Schwindelsprache lauten –, sie kann sich angeblich nur ›manifestieren‹ in der vollkommnen oder der neun-zehntel Dunkelheit des Rotlichts und unter ehrenwörtlichem Ausschluß eines plötzlichen Eingriffs durch Blitzlicht. Selbst wer das Dunkel zugesteht, weil das Medium behauptet, ohne Dunkel kein ›Phänomen‹, muß zugeben, daß das Blitzlicht vielleicht das ›Phänomen‹ stören könnte, aber einen Betrug unfehlbar aufdecken würde. In jedem Falle, wo einer der Teilnehmer, allen Gesetzen der Geisterwelt trotzbietend, mit Blitzlicht und Lichtbildplatte dazwischengefahren ist, wurden hochgehobene Beine, Stöcke, Dräte und andre Betrugswerkzeuge auf die unparteiische Bildplatte gebannt. Dies hatte Schrenck gewußt, dennoch das Blitzlicht durch Ehrenwort ausgeschlossen. Die Medien und ihre Opfer haben gefaselt, solches Eingreifen mit dem Blitzlicht könnte die entsetzlichsten Folgen für die zarte Gesundheit des Mediums haben. Unsinn –: jedes durch Blitzlicht entlarvte Medium hat kerngesund weiter gelebt und ›unentwegt‹ weiter betrogen. Jedoch selbst wenn ein Medium durch das Blitzlicht einigen Schaden an seiner Gesundheit nähme, – wäre solch Opfer im Dienste der Wissenschaft zu teuer? Wenigstens wäre dann ein Ergebnis der Versuche slchergestellt: ein Medium kann durch eine plötzliche Entlarvung zu Schaden kommen.

Die Forderung des Dunkels ist von jenen bösen, aber nützlichen Menschen, die man Zweifler nennt, stets als schwerverdächtig bezeichnet worden. Es gibt zwei Möglichkeiten: das Dunkel, die Lichtlosigkeit kann, kraft eines bisher unerforschten Naturgesetzes, Grunderfordernis für die Erscheinungen des Übersinnlichen sein. Es ist freilich schwer zu begreifen, warum das Weltgesetz das Übersinnliche in Dunkel hüllt, also unsern wichtigsten Sinn, das Gesicht, ausschließt, uns dadurch untersinnlich macht. Aber es ist auch etwas ganz andres möglich: die Bedingung des Dunkels für das, was sich angeblich an den Vermittlern (Medien) des Übersinnlichen begibt, kann zur Verschleierung der taschenspielerischen Täuschung, des Betruges nützlich, ja notwendig sein. Diese Möglichkeit besteht; böse Menschen sprechen von der Wahrscheinlichkeit, ganz böse von der Gewißheit des Betruges. Von mir kann ich nur sagen: Ich weiß nicht, ob ein Mensch mit festgehaltnen Händen, aber bewegungsfreien Füßen in losen Pantoffeln durch eine seelische oder körperliche Ausstrahlung auf die Entfernung von drei Fuß, also auf die Reichweite des Beines, eine freistehende, nicht überdeckte Spieldose in Gang setzen kann. Sobald mir das aber einwandfrei bewiesen wird, bin ich bereit, an diese erhabne Offenbarung brünstig zu glauben. ›Einwandfrei‹ bedeutet das Ausschließen jeder Möglichkeit, daß diese ›Telekinese‹ mit den Zehen eines Beines des verehrten Mediums geschieht.

Es gibt eine ›Zeitschrift für kritischen Okkultismus‹; in deren erstem Heft steht der Aufsatz eines ›kritischen Okkultisten‹ Dr. Tischner mit dem geschwollnen Titel ›Zur Methodologie des Okkultismus‹, was bedeuten soll: das Verfahren bei den Versuchen des Dunkelmunkels. Darin beschäftigt er sich auch mit der Kernfrage aller Versuche, der nach der Forderung der Dunkelheit, und schreibt: ›Eine dritte Gruppe der Gegner sagt: solange gewisse Phänomene nur im Dunkeln vor sich gehen (er meint: vor sich zu gehen scheinen), könne man diese Erscheinungen nicht anerkennen, ein Einwand, der bekanntlich(!) dadurch widerlegt wird, daß es nicht angeht, die Bedingungen vorzuschreiben; auch sonst gehen gewisse Erscheinungen, wie bei der Photographie und manche Wachstumsvorgänge, nur im Dunkeln vor sich.‹ Es soll also nicht angehen, die Bedingungen für die ›Phänomene‹, z. B. für das der übersinnlich in Gang gesetzten Spieldose vorzuschreiben? Aber ich darf doch wohl die Bedingungen vorschreiben, unter denen ich an die Ehrlichkeit des Herrn Mediums glauben will. Dann aber die erstaunliche Denkform dieses Hauptvertreters des ›kritischen‹ Okkultismus! Wie mag es darnach mit den Unkritischen stehen? Weil die Photographie und die Pflanzen die Dunkelheit nötig haben, soll man auch an die Notwendigkeit der Dunkelheit für die Kunstvorstellungen der Medien glauben, die man Sitzungen nennt. Dieser zwar kritische, aber doch eben Okkultist, übersteht einen gewissen kleinen Unterschied zwischen den Wirkungen der Sonne auf die Lichtbildplatte oder auf die Pflanze – und dem Medium: es ist vollkommen undenkbar, unmöglich, daß die Sonne ihre Wirkungen jemals in betrügerischer Absicht ausübt. Wenn bei der Herstellung eines Lichtbildes der Ausschluß oder das Abschatten des Lichtes gefordert wird, so kommen wir nie auf den unsinnigen Gedanken, daß die Sonne uns täuschen wolle. Wir wissen sogar, warum sie so verfährt. Die Wissenschaft hat unerschütterlich festgestellt, daß und warum die Pflanze eine Zeitlang lichtlos bleiben muß. Für die Sonne, das wissen wir, gibt es nur die einzige der beiden Möglichkeiten, von denen ich oben sprach: die eines zwar unerforschten, aber unbedingt ehrlichen Naturgesetzes. Hingegen! – der überzeugteste Okkultist, Mediumist, Telekinist, Teleplasmatiker, Parapsychist, Levitationist, Materialisationist kann nicht, darf nicht, wird nicht leugnen, daß sündhafte Menschen im Dunkeln leichter betrügen können als im Licht, besonders dann, wenn sie betrügen wollen. Ach ich habe, nicht ohne Kummer, gelesen, daß hier und da ein vielbewundertes Medium bald dieses bald jenes Geschlechtes, das seine Vorstellungen im Dunkeln gab, als Betrüger entlarvt wurde, sobald eine Taschenlampe plötzlich ihr nie betrügendes Licht auf es warf. Die Medien lehnen sogar ab, ihre Vorstellungen in einem hellen Gewande zu geben: schon dieses würde selbst bei dunkelm Rotlicht den Betrug sehr erschweren. Sie behaupten, ihre überirdische Emanation oder Effloreszenz habe eine angeborne Abneigung, sich durch helle Kleiderstoffe hindurchzuwürgen. Daß die Medien dies behaupten, ist ihr gutes Recht; daß aber Dutzende von Dummköpfen, die als Geheimräte, ordentliche und außerordentliche Professoren, Direktoren, Doktoren betitelt sind, den Medien Glauben schenken, ist eine der Ungeheuerlichkeiten unsrer Kultur, an die spätere Geschlechter kaum glauben werden. Verschwiegen darf nicht werden, daß neben den gelehrten Dummköpfen zwei ungelehrte berühmte Dichter saßen: Gustav Meyrink und Thomas Mann, die über die im Dunkeln von ihnen ›gesehenen Phänomene‹ die großartigsten Berichte geschrieben haben.

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Schrenck-Notzing ist tot, und er wird so leicht keinen Nachfolger haben. Schon daß er reich war, gab ihm einen Vorsprung im Dunkelmunkel: er konnte die geschicktesten, also teuersten Betrüger bezahlen; ja er wirkte durch seine freigebige Leichtgläubigkeit fruchtbar für den Nachwuchs der Medien. Man wird nicht Medium von heut auf morgen, sondern muß eine lange mühsame Schule der körperlichen Gaukelkünste und der Ausbildung aller Sinne durchmachen. Es ist keine Kleinigkeit, zu erlernen, wie man das Bein in jede Winkellage zu strecken hat, um mit den zum Greifen ausgebildeten Zehen den Stift einer Spieldose zu verschieben.

Entlarvung hat das Medium nicht zu fürchten, denn hopla! die ›assistierenden‹ Gelehrten aller Grade merken nichts. Und hierbei drängt sich uns die wichtigste Seite dieses Geister- und Geistesschwindels auf: Wie stehen die den Schwindel unterstützenden, ja allein ihn ermöglichenden beamteten Gelehrten vor der wissenschaftlichen Welt und vor dem Staate da? Männer der Wissenschaft nehmen an Versuchen teil, die durch jede ihrer Bedingungen, durch jede, den Betrug begünstigen, unentdeckbar machen, jede zuverlässige Beobachtung, jedes Feststellen von Ergebnissen ausschließen; und veröffentlichen über solche betrügerische Versuche, bei denen kein Mensch etwas hat sehen können, geschwollene, natürlich fremdwörtelnde Berichte über das, was sie im Dunkeln ›gesehen‹ haben. Männer, die so handeln, stellen sich außerhalb jeder Wissenschaft, machen sich des Namens von Wissenschaftern unwürdig, vernichten ihre geistige und sittliche Berechtigung, ein Lehramt zu bekleiden, verlieren das Recht, fernerhin wissenschaftliche Ehrentitel wie Professor und Doktor zu führen. Der Staat ist verpflichtet, die Freiheit der Wissenschaft zu achten und zu schützen: grade darum ist er verpflichtet, jeden aus dem Tempel der Wissenschaft hinauszujagen, der durch seine sträfliche Fahrlässigkeit die Wissenschaft fälschen hilft. Ein Naturforscher vollends, der sich an lächerlich unwissenschaftlichen Versuchen seines Faches beteiligt, sich den von Betrügern vorgeschriebenen Versuchsbedingungen fügt, muß mit allen Mitteln für die Wissenschaft unschädlich gemacht werden. Der Schwindel des Dunkelmunkels lebt überwiegend von der Beihilfe gewisser Männer der Wissenschaft.

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