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In den andern Gärten heißen sie Phloxe, der Verdeutschungsversuch sagt: Flammenblume; wir sagen: Flammen, und unsre Besucher verstehen das sogleich. Lebendige Sprache, Menschenrede vollzieht sich nicht in einzelnen Wörtern, sondern in Sätzen, und im Satz ist jedes Wort sehr schnell verständlich.
Es gibt Flammen aller Farben mit Ausnahme einer: die gelbe haben die Züchter noch nicht geschaffen. Ich zweifle nicht, in einigen Jahren werden auch gelbe Flammen in allen Gärten blühen. Mich hat das Fehlen einer einzigen Farbe bei manchen Gattungen anfangs erstaunt. Schon in den nur 12 Jahren, in denen ich mich bescheiden spähend um die Blumenkunde herumschleiche, habe ich erfahren, daß der Kunst unsrer Staudenzüchter kaum noch eine jetzt fehlende Farbe unerreichbar ist. Von Mißfarben wie der blauen Rose spreche ich nicht, wohl aber von solchen köstlichen Bereicherungen der Riesenfarbentafel wie: gelben und blauen Schwerteln (Gladiolen), blauen und mehrfarbigen Dahlien, gelbgefüllten schneeweißen Pfingstrosen. Das sind Schöpfungen! Kein Zweifel: auch die gelbe Flamme wird zwischen den roten, weißen, blauen, kressen und veilen brennen. – Ach so, ihr wißt natürlich nicht, was kreß und veil bedeutet. Unser gelehrter und kühner Farbenforscher Wilhelm Ostwald hat für ›orange‹ vorgeschlagen und dauernd angewandt: kreß (kressefarben), für ›violett‹: veil, und ihr braucht es ihm nur nachzusprechen, so ist unsre Sprache auf einem Gebiet, das sich sonst gegen das Deutsche spröde verhält, um zwei prächtige Kurzwörter bereichert. Die Sprache reinigen und bereichern ist das Geschäft der besten Köpfe – sagt Goethe –, und Ostwald ist einer dieser besten Köpfe. Natürlich wissen die meisten andern Köpfe dazu nichts weiter, als – sich zu schütteln.
Die Flamme glüht und erlischt nie ganz vom Juni bis in den Oktober; sie ist eine der weitspannendsten Stauden. Ja bis in den Oktober, wenn das Wetter günstig ist, blüht die späteste der Flammen: der Wiking, und wie blüht der! In weithin leuchtenden breiten sattrosa Dolden, und seine Büsche werden in einigen Jahren mächtig. Stellt euch solches Geloder in mehr als Meterhöhe im Ausgang des Septembers und im Anfang des Oktobers vor, zu einer Zeit, wo die Dahlien schon unansehnlich und die zweimal blühenden Spätrosen spärlich geworden. Merkt euch den Wiking!
Nicht so spät, aber noch etwas üppiger wächst und blüht die Flamme ›Württemberg‹, rosa, prachtvoll, doch nicht ganz so stark ausstrahlend. – Dann nenne ich eine sehr wertvolle Flamme mit einem Namen, den ich trotz seiner Fremdheit gelten lasse: ›General van Heuts‹. Das war ein holländischer General, der den Weltkrieg hindurch Deutschlands Sache für die gerechte, die der Selbstverteidigung gegen vereinten Raubangriff, erklärte und sich bei vielen seiner Landsleute unbeliebt machte. Die nach ihm benannte Flamme ist leuchtend rosa mit weißem Herzen; ein paar Büsche nebeneinander – reichen Raum lassen, denn er wächst freudig in die Breite – sind zur Zeit ihrer Hochblüte eine Wonne für Augen und Herz; sie beherrschen mit ihrer Farbenkraft ganze Bezirke des Gartens.
Ich liebe die Stauden, die sich reich vermehren: man kann so schöne Jungpflanzen verschenken; denn tut man das nicht, so bekommt man von drei Flammenbüschen in einem Jahr 50 Wurzelschößlinge, die umgepflanzt im nächsten Jahr 50 ziemlich große Büsche geben. Doch das ist ja eine der vielen neuen Tugenden eines Gartenbesitzers, der das erst geworden ist: er gibt gern ab, er möchte seine neugewonnene Freude gern aller Welt zuteil werden lassen.
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Außer der hochbuschigen Flammenstaude gibt es noch drei unentbehrliche niedrige: die Rasen-bildende Frühlingsflamme, die halbhohe des Frühsommers, und dann eine Gattung, – na wer die nicht kennt, der weiß nicht, wie vieler Spaßmacherei Mutter Natur fähig ist. Phlox Drummondi heißt eine der lieblichsten aller Sommerblumen. Herr Drummond ist gewiß ein vortrefflicher Pflanzengelehrter gewesen, vielleicht aber nur irgendein englischer General oder Rennstallbesitzer oder Garnspinner, – uns geht er nichts an, wir haben diese Augenweide ›Flämmlein‹ getauft, und sie hört auf den Namen. Sie ist wie gesagt nur eine Sommerblume, keine Staude. Ach so, ihr kennt ja nicht einmal den Unterschied – ich hab's erfahren –; ihr kennt vielleicht den von Annuellen und Perennen, denn als Deutsche seid ihr schrecklich gebildet. Sommerblumen werden alljährlich im Frühling ausgesät, blühen im Sommer und kehren nicht wieder; Stauden sind ausdauernde Blühpflanzen. Die Flämmlein müssen unbedingt ›Gemeingut des Deutschen Volkes‹ werden. Schon ein Geviertmeter mit ihnen bedeckt ist ein Wonnetraum. Freilich bis jetzt gibt es nur 62 Flämmleinarten, aber jedes Jahr vermehrt diese Zahl. Für 20 Pfennig bekommt ihr ein Papierchen mit ›Prachtmischung‹, daß euch im Sommer die Augen übergehen. Habt ihr Glück, so waren 30 Arten in dem Papierchen, also für › Variété‹ ist gesorgt. Und nun denkt nach, vergleichet: es gibt in Berlin, und wo nicht?, Variétés, deren Eintrittsgeld für einen Menschen mit der Bildung 5 Mark, für ein Männlein und ein Weiblein 10 Mark kostet. Vergleichet! Ich sage euch, solch ein Vergleich ist ethisch, kosmisch, kulturell, ideologisch, soziologisch, psychologisch, ästhetisch von Wert.
Nun aber etwas sehr Merkwürdiges: ich sagte euch, es gibt Flammen jeder Farbe, nur keine gelben; dagegen kommt unter den sommerlichen Flämmlein die gelbe vor. Hier steckt ein Geheimnis. ›Geheimnisse sind noch keine Wunder‹, sagt Goethe; ich wüßte gern, wie er dieses Geheimnis gedeutet hätte. Durch das gelbe Sommerflämmlein wird bewiesen, daß das Gelb dem Wesen der Gattung Flamme nicht widerspricht.
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